Laut Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 29.03.2022 hat der Statusfeststellungsbescheid der Deutschen Rentenversicherung hinsichtlich des sozialversicherungsrechtlichen Status des GmbH-Geschäftsführers eine sog. Doppel- oder Mischwirkung. Der Geschäftsführer ist objektiv betrachtet sowohl begünstigt als auch belastet. Ist der Statusfeststellungsbescheid unter Berücksichtigung des gegenwärtigen Interesses der Betroffenen an der Rücknahme als “nicht begünstigend” i.S.d. des § 44 SGB X anzusehen, steht die Drittwirkung des Bescheids dem nicht entgegen. In dem Streitfall geht es um die Versicherungspflicht des Klägers in seiner Funktion und Tätigkeit als Geschäftsführer der Verwaltungs-GmbH einer GmbH & Co. KG.

Statusfeststellungsbescheid mit Doppel- oder Mischwirkung

Nach dem Urteil des BSG vom 29.03.2022 (B 12 R 2/20 R) besitzt der Statusfeststellungsbescheid der Deutschen Rentenversicherung hinsichtlich des sozialversicherungsrechtlichen Status des GmbH-Geschäftsführers eine sog. Doppel- oder Mischwirkung. Objektiv betrachtet wird der Geschäftsführer der GmbH durch den Feststellungsbescheid begünstigt, aber auch belastet.

Begehren die von einem Feststellungsbescheid Betroffenen übereinstimmend dessen Rücknahme, ist nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelungen in den Paragraphen 44 ff SGB X von einem “nicht begünstigenden Verwaltungsakt” i.S.d. § 44 SGB X auszugehen. Dies gilt auch, wenn der Statusfeststellungsbescheid – isoliert betrachtet – für einen oder beide Betroffenen einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet hat.

BSG, Urteil vom 29.03.2022 (B 12 R 2/20 R)

Ist der Statusfeststellungsbescheid rechtswidrig ergangen, richtet sich die Entscheidung über den Antrag auf dessen Rücknahme nach § 44 SGB X. Im Streitfall war der Kläger in seiner Funktion und Tätigkeit als Geschäftsführer der Verwaltungs-GmbH einer Einheits-GmbH & Co. KG von Anfang an abhängig beschäftigt. Mangels Kapitalbeteiligung an der Verwaltungs-GmbH und ohne die Mehrheit der Kommanditanteile der GmbH & Co KG verfügte er nicht über die Rechtsmacht, die Geschicke der GmbH zu bestimmen.

Zum Sachverhalt des Urteils des BSG vom 29.03.2022

Der Kläger ist als Alleingesellschafter der S.C. GmbH (nur) mittelbar zu einem Drittel an der XY GmbH & Co. KG beteiligt, die wiederrum Alleingesellschafterin der Komplementär-GmbH unter der Firma “ABC Verwaltungs-GmbH” ist. Bei der XY GmbH & Co. KG handelt es sich also um eine sog. Einheits-GmbH & Co. KG, die eine besondere Erscheinungsform der GmbH & Co.KG ist.

Zwischen dem Kläger und der ABC Verwaltungs-GmbH bestand ein Geschäftsführervertrag, der u.a die Regelung enthält, dass der Kläger bei der Ausübung seiner Geschäftsführertätigkeit an das Gesetz, die Gesellschaftsverträge und an jederzeit mögliche Weisungen der Gesellschafterversammlung der GmbH sowie der XY GmbH & Co. KG gebunden ist.

Statusfeststellungsbescheid vom Februar 2008

Im April 2007 stellte der Kläger einen Statusfeststellungsantrag, über den im Februar 2008 antragsgemäß dahingehend entschieden wurde, dass seine Tätigkeit als Geschäftsführer der ABC Verwaltungs-GmbH im Rahmen einer selbstständigen Tätigkeit ausgeübt werde und daher keine Versicherungspflicht bestehe.

Es liege zwar nur eine mittelbare Beteiligung des Klägers an der Verwaltungs-GmbH vor, die darüber hinaus keinen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft erlaube. Allerdings sei zu seinen Gunsten zu berücksichtigen, dass der Kläger Geschäftsführer sei und über die notwendigen Branchenkenntnisse verfüge. Einseitige Weisungen würden nicht erteilt. Eine Gesamtwürdigung aller Umstände ergebe daher ein Überwiegen der Merkmale einer selbstständigen Tätigkeit.

Achtung: Diese Entscheidung über den sozialversicherungsrechtlichen Status des Geschäftsführers der Verwaltungs-GmbH einer GmbH & Co. KG stammt aus dem Jahre 2008 und würde heute nicht mehr so ergehen. Inzwischen hat das BSG seine Rechtsprechung zur Sozialversicherungspflicht der Geschäftsführer einer GmbH & Co. KG in einer Reihe von Urteilen präzisiert.

Aufhebungsantrag wegen Änderung der Verhältnisse

Rund 9 Jahre später beantragte der Kläger im Mai 2017, dass jener Statusfeststellungsbescheid vom Februar 2008 für die Zukunft aufgehoben wird. Infolge der Urteile des Bundesozialgerichts in den Jahren 20012 und 2015 sei eine Änderung in den Verhältnissen eingetreten.

Die Deutsche Rentenversicherung Bund lehnte die Aufhebung des Statusfeststellungsbescheids mit dem Verweis auf die Regelung in § 48 SGB X ab, da keine wesentliche Änderung in den Verhältnissen eingetreten sei.

Die in dem Statusfeststellungsbescheid vom Februar 2008 getroffene Entscheidung entspreche zwar nicht der aktuellen Rechtsprechung zur Sozialversicherungspflicht der GmbH-Geschäftsführer, sie sei jedoch bestandsgeschützt.

Widerspruch und Klage gegen die Ablehnung der Aufhebung

Gegen die ablehnende Entscheidung der Deutschen Rentenversicherung Bund in Berlin legten der Kläger und die ABC Verwaltungs-GmbH beide Widerspruch ein. Diesen begründeten sie im wesentlichen damit, dass sich das Geschäftsführergehalt reduziert habe und der Statusfeststellungsbescheid vom Februar 2008 nach der aktuellen Rechtsprechung zur Sozialversicherungspflicht der GmbH-Geschäftsführer von Anfang an rechtswidrig gewesen sei. Er müsse daher nach § 45 SGB X aufgehoben werden.

Die Deutsche Rentenversicherung wies die Widersprüche zurück, da keine wesentliche Änderung in den Verhältnissen nach § 48 SGB X eingetreten sei. Eine solche liege weder in der Änderung der Rechtsprechung noch in der Absenkung des Geschäftsführergehalts.

Auf die Klage gegen den Widerspruchsbescheid hat das SG München die Deutsche Rentenversicherung verpflichtet, den Statusfeststellungsbescheid vom Februar 2008 mit Wirkung ab dem 01.06.2017 aufzuheben und festzustellen, dass der Geschäftsführer der ABC Verwaltungs-GmbH ab dem 01.06.2017 der Versicherungspflicht in allen Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung unterliegt. Die Aufhebung des Bescheids könne auf § 44 Abs. 2 Satz 1 SGB X i.V.m. § 44 Abs. 1 SGB X gestützt werden.

Das Bayerische LSG hat das Urteil des SG München jedoch wieder aufgehoben. Nach der Revision des Klägers und der Verwaltungs-GmbH musste das Bundessozialgericht den Rechtsstreit entscheiden.

Sozialversicherungspflicht des Geschäftsführers einer Einheits-GmbH & Co. KG

Erst kürzlich hatte das BSG in einer Reihe von Urteilen die Rechtsprechung zur Statusbeurteilung beim Geschäftsführer einer GmbH im Falle der mittelbaren Beteiligung am Stammkapital fortentwickelt.

In dem Urteil des BSG vom 08.07.2020 (B 12 R 1/19) ging es um einen Geschäftsführer der Komplementär-GmbH einer Einheits-GmbH & Co. KG, dem im Gesellschaftsvertrag der KG die Geschäftsführungsbefugnis und die Ausübung des Stimmrechts im Hinblick auf die von der KG gehaltenen Geschäftsanteile an der Komplementär-GmbH entzogen wurde.

Beispiel für eine Einheits-GmbH & Co. KG

Die Münchner Werbeagentur Kunterbunt in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG bietet bundesweit die typischen Leistungen einer Full Service Agentur an. Sie firmiert im Handelsregister des AG München unter Kunterbunt Marketing GmbH & Co. KG und ist die alleinige Gesellschafterin ihrer Komplementär-GmbH. Die Geschäftsführung der Werbeagentur erfolgt durch die Komplementärin, die unter der Firma Kunterbunt Verwaltungs-GmbH agiert. Alleiniger Geschäftsführer ist Anton Müller. Dieser ist wiederrum Kommanditist der Kommanditgesellschaft, wobei sein Anteil am Kapital der KG ein Drittel beträgt.

Bei der o.g. Agentur handelt es sich um eine besondere Erscheinungsform der GmbH & Co. KG, bei der die Kommanditgesellschaft (KG) alleinige Gesellschafterin ihrer eigenen Komplementär-GmbH ist, während die Komplementär-GmbH weder am Vermögen noch am Kapital der KG beteiligt ist. Die Gesellschaftsanteile an der Komplementär-GmbH befinden sich somit im Gesamthandsvermögen der KG.

Handelt es sich um eine Einheits-KG, ist die Kommanditgesellschaft (KG) Alleingesellschafterin der Komplementär-GmbH. Mithin stehen der KG alle Gesellschafterrechte zu.

Grundsätze zur Sozialversicherungspflicht des Geschäftsführers einer Einheits-GmbH & Co. KG

In diesem Fall übt die Kommanditgesellschaft das Weisungsrecht in der Gesellschafterversammlung der Komplementär-GmbH mit einheitlicher Stimme aus (§ 37 Abs. 1 GmbHG i.V.m §§ 38 Abs. 1, 46 Nr. 5, 6 GmbHG). In der GmbH & Co KG wiederum ist grundsätzlich allein die Komplementärin zur (gewöhnlichen) Geschäftsführung berechtigt (§ 164 HGB). Sie übt ihre Befugnisse durch ihre Organe, also ihre Geschäftsführer oder ihre Bevollmächtigten aus, die dabei unmittelbar für die GmbH handeln. Darüber hinaus führen diese aber (auch) die Geschäfte der KG, weshalb sie auch als die „mittelbaren Geschäftsführer“ der GmbH & Co KG bezeichnet werden. Dies führt dazu, dass die Komplementär-GmbH die Gesellschafterrechte aus den Anteilen an ihrem Stammkapital – wiederum vertreten durch ihren Geschäftsführer – selbst ausübt.

Im Gesellschaftsvertrag der KG kann den Geschäftsführern der Komplementär-GmbH die Geschäftsführungsbefugnis und die Ausübung des Stimmrechts im Hinblick auf die von der KG gehaltenen Geschäftsanteile an der Komplementär-GmbH entzogen und stattdessen den Kommanditisten übertragen werden. In einem solchen Fall üben die Kommanditisten ihre Gesellschafterrechte in der Gesellschafterversammlung der KG mittels Beschlussfassung aus. Hier kommt es dann darauf an, ob der Kommanditist je nach Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrages der KG in der Lage ist, einen beherrschenden Einfluss auf die Komplementär-GmbH zu nehmen oder ob diesem zumindest eine Sperrminorität bei der Ausübung des Weisungsrechts eingeräumt wurde.

BSG, Urteil vom 08.07.2020 (B 12 R 1/19)

Ist der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH zugleich Kommanditist der Einheits-GmbH & Co. KG, kommt es also zunächst darauf an, ob die Kommanditisten die Stimmrechte im Hinblick auf die von der KG gehaltenen Geschäftsanteile an der Komplementär-GmbH selbst ausüben. Ist das der Fall, ist der geschäftsführende Kommanditist mit einem Drittel-Anteil am Kapital der KG nicht in der Lage, Entscheidungen der Gesellschafterversammlung zu verhindern. Eine umfassende Sperrminorität ist infolgedessen zu verneinen. Es liegt also eine abhängige Beschäftigung des geschäftsführenden Kommanditisten vor.

Muster und Vorlagen für Geschäftsführer:

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