Mit dem Urteil vom 09.11.2023 hat der BGH entschieden, dass eine Ressortverteilung oder interne Zuständigkeitsregelungen in der Geschäftsleitung einer GmbH (Ressortverteilung) zwar nicht zu einer Aufhebung, wohl aber zu einer Beschränkung der straf- und haftungsrechtlichen Verantwortlichkeit führen können. In jedem Fall bestehen jedoch weiterhin gewisse Überwachungspflichten, die das danach unzuständige Organ zum Eingreifen veranlassen müssen, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Erfüllung der der Gesellschaft obliegenden Aufgaben durch das zuständige Organ nicht mehr gewährleistet ist.

Inhalt:

  1. Sachverhalt und Historie zum Urteil des BGH vom 09.11.2023
  2. Beschränkung der straf- und haftungsrechtlichen Verantwortung des GmbH-Geschäftsführers
  3. Ressortverteilung oder interne Zuständigkeiten der Geschäftsführung in der GmbH
  4. Überwachungspflichten der GmbH-Geschäftsführer bei Ressortverteilung und gesonderte Darlegungslast

1. Sachverhalt und Historie zum Urteil des BGH vom 09.11.2023

In dem Rechtsstreit forderte der Kläger Schadensersatz für gescheiterte Investitionen in mittlerweile insolvente Tochtergesellschaften einer in der Schweiz ansässigen Aktiengesellschaft. Die Klage richtete sich u.a. gegen den Direktor der Schweizer Aktiengesellschaft und Geschäftsführer der Tochtergesellschaften in Deutschland, die als Projektgesellschaften für diverse Immobilien konzipiert waren.

Die Investition des Klägers erfolgte über einen Beteiligungsvertrag mit einer Laufzeit von 24 Monaten und einer festen Verzinsung, der für die Aktiengesellschaft von einem Mitglied des Verwaltungsrats unterzeichnet wurde. Der Kläger verlangte die Rückzahlung der Investition samt Zinsen, da weder die Aktiengesellschaft noch die Tochtergesellschaften über eine Erlaubnis zum Betrieb von Bankgeschäften verfügten, die allerdings erforderlich gewesen wäre. Zur Begründung seines Schadensersatzanspruchs verwies der Kläger auf die Erfüllung des Straftatbestands des § 54 KWG durch die Aktiengesellschaft mit der Folge der persönlichen Haftung des Organs gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 32 Abs. 1 KWG, 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB.

Der Beklagte verteidigte sich mit der Behauptung, dass er als Architekt ausschließlich für technische Leitung und Überwachung der Bauprojekte zuständig gewesen sei. Die Wahrnehmung von Aufgaben im finanziellen Bereich sei ihm nicht übertragen worden.

Das Landgericht Kiel hatte der Klage mit Urteil vom 29.10.2021 (12 O 138/20) weitgehend stattgegeben. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil blieb erfolglos (Urteil des OLG Schleswig vom 23.05.2022, 5 U 197/21).

2. Beschränkung der straf- und haftungsrechtlichen Verantwortung des GmbH-Geschäftsführers

Das OLG Schleswig begründete seine Entscheidung vom 23.05.2022 (5 U 197/21) damit, dass die Schweizer Aktiengesellschaft unerlaubt Bankgeschäfte in Deutschland betrieben hat, indem sie ohne die erforderliche Erlaubnis gewerbsmäßig Gelder annahm. Dies stellt einen Verstoß gegen § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG dar, welcher als Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB gilt.

Der Beklagte trägt als alleinvertretungsberechtigtes Organ der AG nach Schweizer Recht Verantwortung für das unerlaubte Betreiben dieser Bankgeschäfte. Selbst wenn seine Geschäftsführungsbefugnis beschränkt gewesen sein sollten, wäre er aufgrund seiner Stellung innerhalb der Unternehmensgruppe und seiner Präsentation nach außen hin für die unerlaubten Bankgeschäfte mitverantwortlich. Der Beklagte handelte mindestens fahrlässig. Ein eventueller Verbotsirrtum wäre vermeidbar gewesen. Dem Kläger ist dadurch ein Schaden in Höhe der investierten Summe entstanden, den der Beklagte ersetzen muss.

Der BGH bestätigte zwar, dass sich die strafrechtliche Verantwortlichkeit für die Erbringung von gewerbsmäßigen Bankgeschäften ohne die erforderliche Erlaubnis bei fahrlässigem oder vorsätzlichem Handeln auch denjenigen trifft, der in organschaftlicher Stellung für die juristische Person tätig ist (BGH, Urteil vom 15.05.2012, VI ZR 166/11; BGH, Urteil vom 12.12.2019, IX ZR 77/19).

Allerdings sei die objektive Organstellung allein nicht hinreichend, um eine Haftung zu begründen. Es bedarf zusätzlich des Verschuldens gem. § 276 BGB, das dementsprechend gesondert festgestellt werden muss. Hierbei sind interne Zuständigkeitsregelungen oder eine Ressortverteilung in der Geschäftsleitung einer GmbH zu berücksichtigen, die zwar nicht zu einer Aufhebung, wohl aber zu einer Beschränkung der straf- und haftungsrechtlichen Verantwortlichkeit führen (vgl. BGH, Urteil vom 15.10.1996, VI ZR 319/95).

Dies beruht auf dem Gedanken, dass der Geschäftsführer den ihm zukommenden Handlungspflichten für die Gesellschaft als Ganzes auf unterschiedliche Weise nachkommen kann. Auch durch organisatorische Maßnahmen kann er zur Erfüllung der der Gesellschaft obliegenden Pflichten beitragen, indem er etwa an einer Regelung mitwirkt, durch die jedem Geschäftsführer bestimmte Aufgaben bzw. Zuständigkeiten zugewiesen werden.

Durch eine derartige Aufteilung der Geschäfte wird die Verantwortlichkeit des nicht betroffenen Geschäftsführers nach innen und außen beschränkt, denn im Allgemeinen kann er sich darauf verlassen, dass der zuständige Geschäftsführer die ihm zugewiesenen Aufgaben erledigt.

Doch verbleiben dem nicht betroffenen Geschäftsführer in jedem Fall kraft seiner Allzuständigkeit gewisse Überwachungspflichten, die ihn zum Eingreifen veranlassen müssen, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Erfüllung der der Gesellschaft obliegenden Aufgaben durch den zuständigen Geschäftsführer nicht mehr gewährleistet ist.

Wie die interne Organisation einer Gesellschaft ausgestaltet ist, entzieht sich in der Regel ebenso der Wahrnehmung des einzelnen Anlegers wie die Umstände, aus denen sich Anhaltspunkte ergeben können, die das Organ verpflichten, die Führung der Geschäfte auch außerhalb seines eigentlichen Verantwortungsbereichs näher zu kontrollieren und gegebenenfalls Maßnahmen zu ergreifen, um deren Gesetzmäßigkeit sicherzustellen. Bezüglich dieser Umstände trifft daher das Organ nach allgemeinen Grundsätzen eine sekundäre Darlegungslast (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 4.02.2021, III ZR 7/20).

BGH, Urteil vom 09.11.2023, III ZR 105/22

3. Ressortverteilung oder interne Zuständigkeiten der Geschäftsführung in der GmbH

Ganz allgemein obliegt dem Geschäftsführer neben der gerichtlichen und außergerichtlichen Vertretung der Gesellschaft die kaufmännische und technische Geschäftsleitung. Dabei sind sie verpflichtet, im besten Interesse der Gesellschaft zu handeln und ihre Aufgaben mit der typischen Sorgfalt eines Kaufmannes auszuführen. Sie sind insgesamt dafür verantwortlich, dass die GmbH nach Recht und Gesetz handelt (Compliance) und dadurch keine fremden Rechtsgüter verletzt werden. Nahezu alle Pflichten der Geschäftsführer werden flankiert durch eine persönliche Haftung, falls sie diese missachten oder dagegen verstoßen.

Hat eine GmbH mehrere Geschäftsführer, ist deren Geschäftsführungsbefugnis durch den Grundsatz der Gesamtvertretung und -verantwortung dahin gehend beschränkt, dass diese für die Unternehmensleitung stets gemeinsam zuständig und gemeinschaftlich verantwortlich sind, wobei abweichende Regelungen im Gesellschaftsvertrag möglich sind.

Der BGH bestätigt mit seinem Urteil vom 09.11.2023 (III ZR 105/22), dass eine interne Ressortverteilung oder Zuständigkeitsregelungen in der Geschäftsleitung einer GmbH zu berücksichtigen zwar nicht zu einer Aufhebung, wohl aber zu einer Beschränkung der straf- und haftungsrechtlichen Verantwortlichkeit führen können.

Eine Ressortverteilung oder die Festlegung interner Zuständigkeiten kann von den Gesellschaftern entweder im Gesellschaftsvertrag oder per Gesellschafterbeschluss vorgegeben werden.

Eine Geschäftsverteilung oder Ressortaufteilung auf der Ebene der Geschäftsführung setzt eine klare und eindeutige Abgrenzung der Geschäftsführungsaufgaben aufgrund einer von allen Mitgliedern des Organs mitgetragenen Aufgabenzuweisung voraus.

Die vollständige Wahrnehmung der Geschäftsführungsaufgaben durch hierfür fachlich und persönlich geeignete Personen muss sicherstellt und ungeachtet der Ressortzuständigkeit eines einzelnen Geschäftsführers die Zuständigkeit des Gesamtorgans insbesondere für nicht delegierbare Angelegenheiten der Geschäftsführung gewahrt bleiben.

BGH, Urteil vom 6.11.2018, II ZR 11/17

Durch eine derartige Aufteilung der Geschäfte wird die Verantwortlichkeit des nicht betroffenen Geschäftsführers nach innen und außen beschränkt, denn im Allgemeinen kann er sich darauf verlassen, dass der zuständige Geschäftsführer die ihm zugewiesenen Aufgaben erledigt.

4. Überwachungspflichten der GmbH-Geschäftsführer bei Ressortverteilung und gesonderte Darlegungslast

Ungeachtet einer Ressortverteilung oder interner Zuständigkeiten der Geschäftsführer verbleibt in jedem Fall eine gewisse Überwachungspflicht, die den Geschäftsführer zum Eingreifen veranlassen muss, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Erfüllung der der Gesellschaft obliegenden Aufgaben durch den zuständigen Geschäftsführer nicht mehr gewährleistet ist. Verletzt der Geschäftsführer eine solche Überwachungspflicht, kann sich hieraus eine eigenständige Haftung ergeben. An die Erfüllung dieser Überwachungspflicht werden hohe Anforderungen gestellt.

Darüber hinaus hat der BGH in dem Urteil vom 09.11.2023 (III ZR 105/22) erneut bekräftigt, dass den nicht zuständigen Geschäftsführer der GmbH eine gesonderte Darlegungslast trifft, dass er seinen Überwachungspflichten ordnungsgemäß nachgekommen ist.

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