Laut Urteil des Bundessozialgerichts vom 29.03.2022 ist eine rückwirkende Änderung des Statusfeststellungsbescheids wegen geänderter Verhältnisse möglich. Bei einem Feststellungsbescheid hinsichtlich des sozialversicherungsrechtlichen Status des GmbH-Geschäftsführers handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Er ist mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse aufzuheben, soweit sich diese seit dessen Erlaß wesentlich geändert haben. Eine solche Änderung ist zu bejahen, wenn eine Erhöhung des Stammkapitals der GmbH im Handelsregister eingetragen wird und dadurch die bisherige Sperrminorität des geschäftsführenden Gesellschafters wegfällt.

Rücknahme eines Statusfeststellungsbescheids

Der Statusfeststellungsbescheid der Deutschen Rentenversicherung ist gem. § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit sich die tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse seit dem Erlass des Verwaltungsakts wesentlich geändert haben.

Darüber hinaus soll der Statusfeststellungsbescheid gem. § 48 Abs. 1 S. 2 SGB X mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an aufgehoben werden, wenn

  1. die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt;
  2. der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist;
  3. nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt wird, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde;
  4. der Betroffene wusste oder wissen musste, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.

Bei einem geschäftsführenden Gesellschafter der GmbH kann sich eine solche wesentliche Änderung der Verhältnisse insbesondere bei einer Erhöhung des Stammkapitals der GmbH ergeben. Warum das so ist, wird nachfolgend erläutert.

Sozialversicherungspflicht des GmbH-Geschäftsführers

Wie das Bundessozialgericht (BSG) mit Urteil vom 01.02.2022 (B 12 KR 37/19 R) erneut bestätigt hat, kommt es bei der Beurteilung der Sozialversicherungspflicht des geschäftsführenden Gesellschafters mit einem Anteil am Stammkapital unter 50 % entscheidend darauf an, ob er eine umfassende Sperrminorität besitzt.

Hierfür ist eine gesellschaftsvertragliche Rechtsmacht erforderlich, die dem geschäftsführenden Gesellschafter einen maßgeblichen Einfluss auf Gesellschafterbeschlüsse ermöglicht, um dadurch die Geschicke der Gesellschaft umfassend mitzubestimmen. Eine Sperrminorität eines Gesellschafters in der GmbH ist in diesem Sinne zu bejahen, wenn er/sie aufgrund seiner/ihrer Beteiligung am Stammkapital unliebsame Beschlüsse in der Gesellschafterversammlung verhindern kann.

Beispiel zum Wegfall der Sperrminorität infolge der Erhöhung des Stammkapitals

Nachfolgend erläuterte ich den Wegfall der Sperrminorität eines geschäftsführenden Gesellschafters infolge einer Erhöhung des Stammkapitals anhand eines Beispiels:

Anton Huber ist Gesellschafter und alleiniger Geschäftsführer der ABC GmbH, die 2010 mit einem Stammkapital in Höhe von 25.000 Euro gegründet wurde. Bei GmbH-Gründung war Anton Huber mit einem Anteil von 40% am Stammkapital der GmbH beteiligt. Im Gesellschaftsvertrag haben die drei Gründungsgesellschafter vereinbart, dass alle Gesellschafterbeschlüsse mit einer qualifizierten Mehrheit von 75% getroffen werden. Hiernach war es dem geschäftsführenden Gesellschafter Anton Huber möglich, ihm unliebsame Gesellschafterbeschlüsse zu verhindern. Dementsprechend war er in seiner Funktion als geschäftsführender Gesellschafter der GmbH selbständig tätig und unterlag nicht der Sozialversicherungspflicht. In diesem Sinne hat auch die Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung im Oktober 2010 im Rahmen des beantragten Statusfeststellungsverfahrens entschieden.

In 2018 beschlossen die Gesellschafter der ABC GmbH im Rahmen einer notariell beurkundeten Satzungsänderung eine Erhöhung des Stammkapitals auf 50.000 Euro. Die beiden neu geschaffenen Geschäftsanteile in Höhe von jeweils 12.500 Euro wurden von zwei Kapitalgesellschaften übernommen, die als neue Gesellschafter (Venture Capital Investoren) in die GmbH aufgenommen wurden. Die Erhöhung des Stammkapitals wurde am 10.08.2018 ins Handelsregister eingetragen. Der Anteil des geschäftsführenden Gesellschafters Anton Huber sank infolge der Kapitalerhöhung auf 20%.

Damit war sein Anteil am Stammkapital ungeachtet der erforderlichen qualifzierten Mehrheit von 75% nicht mehr ausreichend, um unliebsame Gesellschafterbeschlüsse zu verhindern.

Rückwirkende Änderung des Statusfeststellungsbescheids bei wesentlicher Änderung der Verhältnisse und Verletzung der Mitteilungspflicht

Im Rahmen einer Betriebsprüfung der Deutschen Rentenversicherung bei der ABC GmbH für den Zeitraum vom 01.01.2016 bis zum 31.12.2019 stellte der Betriebsprüfer die Erhöhung des Stammkapitals fest. Nach Anhörung des Geschäftsführers und der GmbH hob die Deutsche Rentenversicherung den Statusfeststellungsbescheid aus dem Jahre 2010 mit Wirkung ab 10.08.2018 auf. An diesem Tag sei eine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten, weil der geschäftsführende Gesellschafter Anton Huber nur mit einer Quote von 20% am Stammkapital der ABC GmbH beteiligt sei. Seitdem sei eine abhängige Beschäftigung zu bejahen, die eine Sozialversicherungspflicht des geschäftsführenden Gesellschafters auslöst.

Mitteilungspflicht gegenüber der Deutschen Rentenversicherung

In dem Urteil vom 29.03.2022 (B 12 KR 1/20 R) bejahte das BSG eine zumindest grob fahrlässige Verletzung der Mitteilungspflicht gegenüber der Deutschen Rentenversicherung, die sich aus der entsprechenden Anwendung des § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I i.V.m. § 28a Abs 1 SGB IV ergibt.

Arbeitgeber unterliegen nach dem gesetzgeberischen Konzept im Zusammenhang mit einer Beschäftigung Melde- und Beitragszahlungspflichten. Sie tragen das Risiko fehlerhafter Einschätzung eines Auftragsverhältnisses. Dem entspricht die Pflicht, den für die Statusfeststellung zuständigen Träger in die Lage zu versetzen, das Vorliegen der Voraussetzungen für die getroffene Statusentscheidung und die damit verbundene Entlastung des Arbeitgebers vom Risiko der Beitragstragung auch nach deren Erlass zu überprüfen. Dieser Mittteilungspflicht kommt die GmbH jedenfalls grob fahrlässig nicht nach, wenn sich die dargelegte Bedeutung der Sperrminorität für die Ablehnung der Versicherungspflicht aus dem Statusfeststellungsbescheid ergeben hat.

BSG, Urteil vom 29.03.2022 (B 12 KR 1/20 R)

Die Deutsche Rentenversicherung konnte den ursprünglichen, die Versicherungspflicht ablehnenden Statusfeststellungsbescheid aus dem Jahre 2010 aufheben und rückwirkend durch einen neuen ersetzen. Für die rückwirkende Änderung des Statusfeststellungsbescheids kommt es hinsichtlich des Zeitpunkts verhänderten Verhältnisse auf die Eintragung der Erhöhung des Stammkapitals im Handelsregister an.

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