Der BGH hat mit seinem positiven Urteil vom 08.02.2024 wichtige und klärende Leitsätze zur Haftung der Steuerberater wegen Beitragsnachforderungen aufgrund einer Sozialversicherungspflicht der GmbH-Geschäftsführer aufgestellt.

Das Mandat der Lohnbuchhaltung umfasst zwar nicht die Pflicht, die Frage der Sozialversicherungspflicht der Geschäftsführer einer GmbH eigenständig zu klären. Allerdings muss der Steuerberater die für den Abzug von Beiträgen vorgelagerte Frage der Sozialversicherungspflicht der GmbH-Geschäftsführer entsprechend einer verbindlichen Vorgabe des Auftraggebers behandeln. Fehlt eine solche verbindliche Vorgabe und ist die statusrechtliche Einordnung des Geschäftsführers weder als anderweitig geklärt noch als zweifelsfrei anzusehen, muss er auf eine Klärung des sozialversicherungsrechtlichen Status durch den Auftraggeber hinwirken.

Hat der Steuerberater auf eine Klärung des sozialversicherungsrechtlichen Status durch den Mandanten hinzuwirken, muss er diesem zunächst die Möglichkeit einer rechtssicheren Klärung aufzeigen, etwa durch Einholung eines fachmännischen Rats bei einem Rechtsanwalt oder durch Klärung im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens nach § 7a SGB IV oder eines Verfahrens vor den Einzugsstellen der Krankenkassen nach § 28h Abs. 2 SGB IV. Dadurch soll der Mandant in die Lage versetzt werden, eine aufgeklärte und verbindliche Entscheidung zur sozialversicherungsrechtlichen Behandlung des Geschäftsführers im Rahmen der Lohnbuchhaltung zu treffen.

Inhalt:

  1. Problemfälle bei Beurteilung der Sozialversicherungspflicht der GmbH-Geschäftsführer
  2. Steuerberater nicht verpflichtet, die Sozialversicherungspflicht eigenständig zu prüfen
  3. Verpflichtung der Steuerberater zur Klärung des sozialversicherungsrechtlichen Status
  4. Verbindliche Vorgabe des Auftraggebers zur Sozialversicherungspflicht einholen
  5. Frage der Sozialversicherungspflicht anderweitig hinreichend geklärt oder zweifelsfrei
  6. Schadensberechnung bei schuldhafter Pflichtverletzung der Steuerberater
  7. Verjährung der Schadensersatzansprüche wegen Beitragsnachforderungen

1. Problemfälle bei Beurteilung der Sozialversicherungspflicht der GmbH-Geschäftsführer

In Deutschland gibt es einige typische Konstellationen, bei denen eine rechtliche Beurteilung der Sozialversicherungspflicht von GmbH-Geschäftsführern derart komplex ist, dass sie nur von der Fachabteilung der Deutschen Rentenversicherung oder einem Rechtsanwalt mit dem einschlägigen Spezialwissen durchgeführt werden kann. In diesen Fällen sind Steuerberater nach meinem Verständnis des nunmehr vorliegenden BGH-Urteils vom 08.02.2024 grundsätzlich verpflichtet, eine rechtssichere Klärung des sozialversicherungsrechtlichen Status der Geschäftsführer zu veranlassen.

1.1. Gesellschafter-Geschäftsführer mit weniger als 50% Anteil am Stammkapital

Beim Gesellschafter-Geschäftsführer mit weniger als 50% Anteil am Stammkapital geht es regelmäßig um die Frage, ob der Geschäftsführer trotz seiner Minderheitsbeteiligung eine selbständige Tätigkeit ausübt. Hierbei kommt es entscheidend darauf an, ob er eine Sperrminorität oder ein Sonderrecht besitzt, die ihm die Rechtsmacht verleiht, ungewollte Entscheidungen der Gesellschafterversammlung zumindest zu verhindern.

1.2. Geschäftsführer einer GmbH mit 3 oder mehr Gesellschaftern

Beim Geschäftsführer einer GmbH mit 3 oder mehr Gesellschaftern ist immer sorgfältig zu prüfen, ob die Annahme einer selbständigen Tätigkeit ohne Abzug von Beiträgen gerechtfertigt ist. Das ist grundsätzlich möglich, setzt aber eine besondere Gestaltung des Gesellschaftsvertrages der GmbH voraus.

1.3. Mittelbar beteiligte Geschäftsführer in Holding-Konstruktionen

Für die Beurteilung der Sozialversicherungspflicht der GmbH-Geschäftsführer in Holding-Konstruktionen oder im Falle einer GmbH & Co. KG ist einschlägiges Fachwissen erforderlich.

Beim Geschäftsführer einer GmbH in Holding-Konstruktionen und in der GmbH & Co. KG ist genau zu prüfen, ob der mittelbar beteiligte Geschäftsführer kraft seiner Stellung als Gesellschafter einer anderen Gesellschaft in der Lage ist, Einfluss auf den Inhalt von Gesellschafterbeschlüssen der von ihm geführten Gesellschaft zu nehmen. Eine solche mittelbare (von der Beteiligung an einer anderen Gesellschaft abgeleitete) Rechtsmacht ist jedoch nur beachtlich, wenn sie ihrerseits im Gesellschaftsrecht wurzelt, also durch Gesellschaftsvertrag eindeutig geregelt ist und unmittelbar auf das zu beurteilende Rechtsverhältnis durchschlägt.

Entscheidend ist, ob dem GmbH-Geschäftsführer selbst und unmittelbar eine ausschlaggebende Einflussnahme auf die Gesellschafterbeschlüsse der von ihm geführten Gesellschaft möglich ist oder er zumindest ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung verhindern kann.

Ein Geschäftsführer übt seine Tätigkeit nur dann selbständig aus, wenn er kraft seiner Gesellschaftsanteile über die Rechtsmacht verfügt, auf die Beschlüsse der Gesellschaft einzuwirken, für die er die Geschäftsführung übernommen hat.

BSG, Urteil vom 8.7.2020, B 12 R 26/18 R; BSG, Urteile vom 08.07.2020, B 12 R 2/19 R und B 12 R 4/19 R sowie – B 12 R 6/19 R)

1.4. Geschäftsführer von Startups mit Investoren

Startups befinden sich oft in einer besonderen Situation, da externe Investoren effektiven Einfluss auf die Geschäftsführung haben wollen. Dies kann die Beurteilung der Selbständigkeit der Geschäftsführer beeinflussen, insbesondere dann, wenn die Gründungsgesellschafter im Zuge der Finanzierungsrunden eigene Anteile am Stammkapital abgeben oder sich ihre Anteilsquoten am Stammkapital verwässern.

1.5. Geschäftsführer, die Rechnungen an GmbH stellen

In den Augen der Betriebsprüfer der Deutschen Rentenversicherung spielt es bei der Beurteilung der Sozialversicherungspflicht der GmbH-Geschäftsführer keine Rolle, ob die GmbH die Vergütung des Geschäftsführers in Form eines Geschäftsführergehalts oder auf Basis von Rechnungen bezahlt. In beiden Fällen erfolgt die Beurteilung der Sozialversicherungspflicht nach den anerkannten Grundsätzen.

2. Steuerberater sind nicht verpflichtet, die Sozialversicherungspflicht der GmbH-Geschäftsführer eigenständig zu prüfen

Übernimmt ein Steuerberater das Mandat der Lohnbuchhaltung, ist er zur Erfassung, Abrechnung und Buchung der Arbeitsentgelte sowie der gesetzlichen Abzüge wie etwa Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuer verpflichtet. Neben der technischen Abwicklung der Abrechnung schuldet er auch die korrekte Berechnung der Abzugsbeträge, wobei die Frage der Sozialversicherungspflicht des Geschäftsführers dem vorgelagert ist und nach einer verbindlichen Vorgabe durch den Auftraggeber zu erfolgen hat. Fehlt eine solche verbindliche Vorgabe und ist die statusrechtliche Einordnung weder als anderweitig geklärt noch als zweifelsfrei anzusehen, hat der Lohnbuchhalter auf eine Klärung der Statusfrage durch den Auftraggeber hinzuwirken. Er ist jedoch nicht verpflichtet, die Frage der Sozialversicherungspflicht eigenständig zu klären.

Die Beurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status des Geschäftsführers bedarf bei der Abgrenzung zwischen der kraft Gesetzes eintretenden Versicherungspflicht in den Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung wegen (abhängiger) Beschäftigung nach § 7 Abs. 1 SGB IV einerseits und einer fehlenden Versicherungspflicht aufgrund anzunehmender Selbständigkeit andererseits einer besonderen Sachkunde auf dem Gebiet des Sozialversicherungsrechts (vgl. BSGE 115, 171 Rn. 19 zum Steuerberater).

BGH, Urteil vom 8. Februar 2024 – IX ZR 137/22

Der BGH betont ausdrücklich, dass die dabei zu beachtenden Grundsätze und die für die Beurteilung letztendlich maßgebenden Umstände überaus komplex sind. Für die Subsumtion ist eine Kenntnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts unabdingbar. Über die erforderliche sozialrechtliche Sachkunde braucht ein durchschnittlicher Lohnbuchhalter nicht zu verfügen.

3. Verpflichtung des Steuerberaters zur Klärung des sozialversicherungsrechtlichen Status

Der Steuerberater ist berechtigt, den Mandanten auf die Einholung fachkundigen Rats zu verweisen und von ihm eine ausdrückliche Weisung einzuholen, ob der Geschäftsführer in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht als selbständiger Unternehmer oder als abhängig Beschäftigter zu behandeln ist; alternativ kann er auf die Möglichkeit der Klärung der Statusfrage im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens nach § 7a SGB IV oder auf ein Verfahren vor der Einzugsstelle der Krankenkassen nach § 28h Abs. 2 SGB IV verweisen.

Dies gilt auch dann, wenn ein Rechtsanwalt oder eine aus Steuerberatern und Rechtsanwälten bestehende Berufsausübungsgesellschaft ein reines Lohnbuchhaltungsmandat übernimmt, denn die Hauptpflichten eines Mandats bestimmen sich nach dem konkret übernommenen Auftrag. Dieser legt fest, welche Fach- und Rechtskenntnisse sich der Auftragnehmer verschaffen muss (vgl. BGH, Urteil vom 15.07.2004, IX ZR 472/00; BHH, Urteil vom 23.03.2006, IX ZR 140/03; BGH, Urteil vom 21.06.2018, IX ZR 80/17), welches Personal er zur Auftragsausführung einsetzen kann und welche Vergütung er erhält.

BGH, Urteil vom 8. Februar 2024 – IX ZR 137/22

Allerdings muss die vorgelagerte Frage der Sozialversicherungspflicht des Geschäftsführers einer GmbH verbindlich geklärt sein, bevor der Lohnbuchhalter seine Aufgabe ordnungsgemäß erfüllen kann. Die Klärung der vorgelagerten Frage der Sozialversicherungspflicht des Geschäftsführers der GmbH ist insbesondere für die richtige Einschlüsselung (sozialversicherungspflichtig in allen Zweigen der Sozialversicherung, nur in bestimmten Zweigen oder gar nicht sozialversicherungspflichtig) von wesentlicher Bedeutung.

Nimmt der Steuerberater die sozialversicherungsrechtliche Einordnung hingegen selbst vor (vgl. BGH, Urteil vom 29. Mai 2008 – IX ZR 222/06, WM 2008, 1416 Rn. 13: fehlerhafte Anmeldung der Tätigkeit des Geschäftsführers bei der Einzugsstelle durch den Steuerberater), haftet er bei schuldhafter Fehleinschätzung aus § 280 Abs. 1 BGB.

BGH, Urteil vom 8. Februar 2024 – IX ZR 137/22

Fehlt eine solche verbindliche Vorgabe des Auftraggebers und ist die statusrechtliche Einordnung weder als anderweitig geklärt noch als zweifelsfrei anzusehen, hat der Steuerberater auf eine Klärung durch den Auftraggeber hinzuwirken. Nimmt der Steuerberater die sozialversicherungsrechtliche Einordnung hingegen selbst vor, haftet er bei schuldhafter Fehleinschätzung aus § 280 Abs. 1 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 29. Mai 2008 – IX ZR 222/06, WM 2008, 1416 Rn. 13: fehlerhafte Anmeldung der Tätigkeit des Geschäftsführers bei der Einzugsstelle durch den Steuerberater).

4. Verbindliche Vorgabe des Auftraggebers zur Sozialversicherungspflicht des Geschäftsführers

Steuerberater einer GmbH sind also verpflichtet, von dem Auftraggeber eine verbindliche Vorgabe zur Sozialversicherungspflicht der Geschäftsführer einzuholen. Keinesfalls dürfen sie die Einordnung des sozialversicherungsrechtlichen Status selbst vornehmen. Fehlt eine verbindliche Vorgabe, sollte diese schnellstmöglich eingeholt werden.

Eine solche verbindliche Vorgabe des Auftraggebers ist nach Ansicht des BGH allerdings nur dann anzunehmen, wenn der Auftraggeber mit ihr zum Ausdruck bringt, dass er die Verantwortung für die Richtigkeit der statusrechtlichen Einordnung des Geschäftsführers übernimmt.

Eine verbindliche Vorgabe liegt deshalb nicht schon darin, dass sich dem Vertrag zwischen Auftraggeber und Mitarbeiter entnehmen lässt, welche sozialversicherungsrechtliche Einordnung sie anstrebten, etwa indem sie den Dienstnehmer als “freien Mitarbeiter” bezeichnet oder Regelungen zu Zuschüssen des Arbeitgebers zu einer privaten Krankenversicherung oder Altersvorsorge aufgenommen haben. Die vertragliche Regelung besagt nicht notwendig, dass die Frage der von Gesetzes wegen eintretenden Sozialversicherungspflicht nach § 7 Abs. 1 SGB IV rechtlich überprüft ist.

BGH, Urteil vom 8. Februar 2024 – IX ZR 137/22

Andererseits muss der Steuerberater nicht hinterfragen, durch wen die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung oder Prüfung erfolgt ist oder ob die Prüfung als fachkundig anzusehen ist.

Allerdings verweist der BGH in diesem Zusammenhang auf die allgemeine Warn- und Hinweispflicht des Steuerberaters gem. § 242 BGB hin.

Diese setzt jedoch voraus, dass der Steuerberater die Fehlerhaftigkeit der Vorgabe oder der erfolgten Klärung erkennt oder diese für ihn offenkundig war, weil sie für einen durchschnittlichen Lohnbuchhalter auf den ersten Blick ersichtlich ist, und der Lohnbuchhalter davon ausgehen muss, dass sich der Auftraggeber der ihm drohenden Nachteile nicht bewusst ist.

BGH, Urteil vom 18.12.2008, IX ZR 12/05; BGH, Urteil vom 26.01.2017, IX ZR 285/14; BGH, Urteil vom 21.06.2018, IX ZR 80/17; BGH, Urteil vom 29.06.2023, IX ZR 56/22).

Aus meiner Sicht wird diese Ausnahme in der Praxis kaum eine Rolle spielen.

5. Ausnahmen: Frage der Sozialversicherungspflicht anderweitig hinreichend geklärt oder zweifelsfrei

Hat der Auftraggeber keine verbindliche Vorgabe zur statusrechtlichen Einordnung des Geschäftsführers gemacht, muss der Steuerberater auf eine Klärung der Frage der Sozialversicherungspflicht durch den Auftraggeber hinwirken, sofern die Frage weder anderweitig (hinreichend) geklärt noch die statusrechtliche Einordnung zweifelsfrei ist.

5.1. Statusbeurteilung des Geschäftsführers anderweitig hinreichend geklärt

Eine hinreichende Klärung der Sozialversicherungspflicht des Geschäftsführers ist zu bejahen, wenn diese Frage anwaltlich geprüft ist bzw. ein einschlägiger Feststellungsbescheid der Einzugsstelle (Krankenkasse) oder der Deutschen Rentenversicherung vorliegt.

Zudem bejaht der BGH eine hinreichende Klärung auch dann, wenn die bisherige Einordnung des GmbH-Geschäftsführers im Rahmen einer Betriebsprüfung der Deutschen Rentenversicherung nach § 28p SGB IV unbeanstandet geblieben ist.

Diese Betriebsprüfungen der Deutschen Rentenversicherung dienen zwar nicht dem Zweck, den Arbeitgeber zu schützen oder ihn zu entlasten, aber es kann weder von einem Arbeitgeber noch von einem Steuerberater erwartet werden, noch kritischer zu sein als der zuständige Prüfdienst (vgl. BGH, Urteil vom 23.09.2004, IX ZR 148/03). Die alleinige Einschätzung einer Kammer, eines Berufsverbands oder eines Versicherungsmaklers ist jedoch nicht geeignet, von einer hinreichenden Klärung auszugehen.

BGH, Urteil vom 8. Februar 2024 – IX ZR 137/22

5.2. Zweifelsfreie Beurteilung der Sozialversicherungspflicht möglich

Zweifelsfrei ist der sozialversicherungsrechtliche Status eines Geschäftsführers, wenn auch ohne sozialversicherungsrechtliche Fachkenntnisse jeder weitere Prüfbedarf zuverlässig ausgeschlossen werden kann. Hierauf sollten sich Steuerberater jedoch nur in völlig klaren Sachverhalten verlassen.

6. Verjährung der Schadensersatzansprüche und Schadensberechnung

Nach § 68 StBerG verjährt der Anspruch des Auftraggebers auf Schadensersatz aus dem bestehenden Vertragsverhältnis mit dem Steuerberater in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Anspruch entstanden ist.

Dies ist im Allgemeinen anzunehmen, wenn der Schaden wenigstens dem Grunde nach erwachsen ist, mag seine Höhe auch noch nicht beziffert werden können, ferner wenn durch die Verletzungshandlung eine als Schaden anzusehende Verschlechterung der Vermögenslage eingetreten ist, ohne dass feststehen muss, ob ein Schaden bestehen bleibt und damit endgültig wird; oder wenn eine solche Verschlechterung der Vermögenslage oder auch ein endgültiger Teilschaden entstanden ist und mit der nicht fernliegenden Möglichkeit weiterer, noch nicht erkennbarer, adäquat verursachter Nachteile bei verständiger Würdigung zu rechnen ist (BGHZ 114, 150, 152 f; 119, 69, 70 f).

Eine Unkenntnis des Schadens und damit des Ersatzanspruchs hindert den Verjährungsbeginn nicht (BGHZ 114, 150, 151; 119, 69, 71). Ist dagegen – objektiv betrachtet – noch offen, ob ein pflichtwidriges, mit einem Risiko behaftetes Verhalten zu einem Schaden führt, ist ein Ersatzanspruch noch nicht entstanden, sodass eine Verjährungsfrist nicht in Lauf gesetzt wird (BGHZ 119, 69, 71 m.w.N.).

BGH, Urteil vom 12.2.2004, IX ZR 246/02

Die vom BGH entwickelten Rechtsgrundsätze zum Verjährungsbeginn bei Haftung der Steuerberater in steuerrechtlichen Angelegenheiten haben keine allgemeine Gültigkeit. Die das Steuerrecht kennzeichnenden Umstände sind im Sozialversicherungsrecht nicht in gleichem Ausmaß gegeben. Im Steuerrecht ist der Steuerbescheid nach § 155 Abs. 1 S. 1 AO die Regelform der Steuerfestsetzung. Demgegenüber müssen Arbeitgeber die Beiträge im Sozialversicherungsrecht auch ohne besonderen Leistungsbescheid bezahlen (vgl. § 28 e Abs. 1 S. 1 SGB IV), wobei deren Grund und Höhe gesetzlich bestimmt sind (vgl. §§ 223, 226 ff. SGB V).

6.1. Beginn der Verjährung bei Beitragsnachforderungen

Allerdings sind die Interessen der Arbeitgeber auch im Sozialversicherungsrecht angemessen zu berücksichtigen, wenn es bei den nach § 28 p Abs. 1 1 SGB IV gesetzlich vorgeschriebenen Prüfungen durch den Träger der Rentenversicherung zum Erlass von Verwaltungsakten zur Versicherungspflicht und/oder zur Höhe der Beitrage kommt (vgl. § 28 p Abs. 1 S. 5 SGB IV).

Diese Interessenabwägung hat der BGH mit Urteil vom 23.9.2004 (IX ZR 148/03) dahin gehend konkretisiert, dass die Verjährung des Schadensersatzanspruchs eines Arbeitgebers gegen den Steuerberater in Fällen der unerkannten Beitragspflicht eines Mitarbeiters erst mit dem Zugang des entsprechenden Bescheids mit der bezifferten Nachforderung beginnt.

Der Lauf der Verjährung bei dem Schadensersatzanspruch eines Arbeitgebers gegen
den Steuerberater, welcher die Lohnabrechnungen für ihn besorgt und hierbei keinen
Arbeitnehmeranteil der Rentenversicherungsbeiträge abzieht, beginnt in Fällen der
unerkannten Beitragspflicht eines Mitarbeiters erst mit dem Zugang des entsprechenden
Nachforderungsbescheides der zuständigen Behörde.

BGH, Urteil vom 23.9.2004, IX ZR 148/03

6.2. Verjährung und Schadensberechnung

Nach der Rechtsprechung des BGH ist im Rahmen der Schadensberechnung immer ein Gesamtvermögensvergleich vorzunehmen, beginnend mit dem Zeitpunkt, ab dem der Steuerberater seine Beratungs- oder Hinweispflicht verletzt hat (BGH, Urteil vom 23.09.2004, IX ZR 148/03). Zur Feststellung des Schadens sind die Vermögenslagen mit und ohne schädigendes Ereignis miteinander zu vergleichen (BGH, Urteil v. 20.01.2005, IX ZR 416/00; BGH, Urteil vom 19.01.2006, IX ZR 232/01).

Daher ist bei der Schadensberechnung ein etwaiger Vorteil des Arbeitgebers infolge der Pflichtverletzung des Steuerberaters auf den Schaden anzurechnen. Ein solcher Vorteil kann sich daraus ergeben, dass der Arbeitgeber infolge der falschen Beurteilung der Sozialversicherungspflicht von der Zahlung der Arbeitgeberanteile befreit wurde, soweit diese wegen der Verjährung der Beitragsansprüche nicht mehr gefordert werden können.

Auf den Regressschaden eines Arbeitgebers, der infolge unerkannter Versicherungspflicht
eines Mitarbeiters keinen Arbeitnehmeranteil vom Lohn abzieht und diesen Abzug
nicht mehr nachholen kann, ist der Vorteil anzurechnen, den die Verjährung von
Beitragsansprüchen gegen den Arbeitgeber aus dem nämlichen Grund wegen des
Arbeitgeberanteils bewirkt.

BGH, Urteil vom 23.9.2004, IX ZR 148/03

Der Vorteil der verjährten Beitragspflicht des Arbeitgebers und der Nachteil des in unverjährter Zeit ausgeschlossenen Abzugs des Arbeitnehmeranteils stehen in einem inneren Zusammenhang, der beide Größen zu einer Rechnungseinheit verbindet (vgl. zur Schadensberechnung insoweit allgemein BGHZ 91, 206, 210; 136, 52, 54 f; BGH, Urteil vom 19. Juli 2001, IX ZR 62/00).

Muster und Vorlagen für Geschäftsführer:

formblitz-muster-vorlagen-pakete