Das Jahressteuergesetz 2022 hatte es in sich. Ich kann mich nicht erinnern, dass die Liste mit den Änderungen im Steuerrecht in einem Jahr schon mal derart lang war. Die Ampel-Koalition hatte alle Hände voll zu tun, um die zahllosen Krisen in der Welt für die Bürger in Deutschland etwas abzumildern, auch mit den Möglichkeiten des Steuerrechts: Zeitenwende, Energiekrise, Krieg in der Ukraine, Inflation, Coronapandemie und Klimawandel. Man könnte aber auch sagen: Es gab viel zu tun nach dem Stillstand während der Großen Koalition. So oder so, das Steuerrecht in Deutschland produziert eine Menge Gesetze. Es folgt ein Ausschnitt mit den wichtigsten Änderungen und Neuregelungen aus dem Jahressteuergesetz 2022 und dem Inflationsausgleichsgesetz, die insbesondere die GmbH, ihre Gesellschafter und Geschäftsführer betreffen.

Inhalt:

  1. Jahressteuergesetz 2022
  2. Erhöhung des Grundfreibetrages
  3. Spitzensteuersatz und Reichensteuer
  4. Familienförderung: Kindergeld und Kinderfreibetrag
  5. Inflationsausgleichsprämie
  6. Aufwendungen für häusliches Arbeitszimmer
  7. Homeoffice-Pauschale für Arbeitsplatz in der häuslichen Wohnung
  8. Einkünfte aus Kapitalvermögen: Erhöhung Sparerpauschbetrag
  9. Vereinfachung der Rechnungsabgrenzung in der Bilanz
  10. Betriebliche Altersvorsorge
  11. Gesetzliche Fristverlängerungen für die Abgabe der Steuererklärungen
  12. Jahressteuergesetz 2022: Änderungen im Umsatzsteuerrecht

1. Jahressteuergesetz 2022

Das Bundesfinanzministerium begründet den Umfang des Jahressteuergesetzes 2022 auf seiner Website, dass es in verschiedenen Bereichen des Steuerrechts fachlich notwendiger Gesetzgebungsbedarf gab, insbesondere hinsichtlich von Anpassungen an die Digitalisierung, zur Verfahrensvereinfachung, zur Rechtssicherheit und Steuergerechtigkeit sowie zur Umsetzung des Koalitionsvertrages. Viele Regelungen waren notwendig zur Anpassung des Steuerrechts an EU-Recht und EuGH-Rechtsprechung sowie Reaktionen auf Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesfinanzhofs.

2. Erhöhung des Grundfreibetrages

Der Grundfreibetrag im Rahmen der Einkommensteuer wird zum 01.01.2023 von EUR 10.347 auf EUR 10.908 angehoben. Eine weitere Erhöhung kommt zum 01.01.2024 auf dann EUR 11.604. Für Verheiratete gilt der doppelte Betrag (§ 32a Abs. 1 EStG).

Grundfreibetrag ab 01.01.202220232024
EUREUREUR
Ledige10.34710.90811.604
Verheiratete20.69421.81623.208
Tabelle zum Jahressteuergesetz 2022: Grundfreibetrag im Rahmen der Einkommensteuer

3. Spitzensteuersatz und Reichensteuer

Seit vielen Jahrzehnten haben wir es auch in Europa mit zweistelligen Inflationsraten zu tun. Um eine schleichende Inflation infolge hoher Inflation zu verhindern, wurde nicht nur der Grundfreibetrag im Rahmen der Einkommensteuer erhöht, sondern auch die Eckwerte am oberen Ende der Steuersätze. Damit verschieben sich die anwendbaren Steuersätze im Rahmen der Progression im Jahre 2023 um 7,2% und in 2024 nochmals um 6,3%.

Ab 01.01.2023 ist der Spitzensteuersatz mit 42% ab einem zu versteuernden Einkommen in Höhe von EUR 62.810 anwenbar (statt bisher EUR 58.597). Ab 01.01.2024 steigt die Schwelle auf EUR 66.761 anwendbar.

Die sog. Reichensteuer bleibt von dieser Verschiebung bewusst ausgenommen und greift bei einem zu versteuernden Einkommen ab EUR 277.826.

Zu versteuerndes Einkommen
GrundfreibetragSplittingtarif
EUREUR
Grundfreibetrag10.90821.816
Erste Progressionszone ab 10.909ab 21.817
Zweite Progressionszoneab 16.000ab 31.999
Obere Proportionalzone (Spitzensteuersatz)ab 62.810ab 125.619
Oberste Proportionalzone (Reichensteuer)ab 277.826ab 555.651
Tabelle zum Jahressteuergesetz 2022: Grundfreibetrag, Spitzensteuersatz, Reichensteuer

4. Familienförderung: Kindergeld und Kinderfreibetrag

Im Rahmen der Familienförderung bringt das Jahressteuergesetz 2022 auch zahlreiche Änderungen zum 01.01.2023 und nochmals ab 01.01.2024 mit sich, insbesondere eine Erhöhung des Kindergelds und der Kinderfreibeträge.

Besonders zu beachten, dass ab 01.01.2023 die Steueridentifikationsnummer des Kindes in der Einkommensteuererklärung anzugeben ist, um den Kinderfreibetrag und den besonderen BEA-Freibetrag für Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsbedarf zu beantragen (§ 32 Abs. 6 Satz 12 EStG).

5. Inflationsausgleichsprämie

Im Zeitraum vom 26. Oktober 2022 bis 31.12.2024 können Arbeitgeber ihren Mitarbeitern eine Inflationsausgleichsprämie als Sonderzahlung in Höhe von bis zu EUR 3.000 gewähren. Diese Leistung zur Abmilderung der Inflation ist beim Arbeitnehmer steuerfrei und unterliegt auch keinen Abgaben zur gesetzlichen Sozialversicherung. Es sind allerdings einige Dinge zu beachten, damit die Sonderzahlung als steuer- und beitragsfreie Inflationsausgleichsprämie anerkannt wird.

6. Aufwendungen für häusliches Arbeitszimmer

In der langen Liste der Änderungen durch das Jahressteuergesetz 2022 sind auch die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer betroffen (§ 4 Abs. 5 Nr. 6b und 6c i.V.m. § 9 Abs. 5 EStG, geändert durch das “Jahressteuergesetz 2022” vom 16.12.2022).

Ab dem 01.01.2023 gilt folgendes zu den Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer: Diese sind als Werbungskosten oder Betriebsausgaben gegen Nachweis in voller Höhe absetzbar, wenn es sich um ein häusliches Arbeitszimmer handelt und dieses den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung darstellt. Alternativ ist – ohne Nachweis – eine Jahrespauschale in Höhe von EUR 1.260 abziehbar.

Die Aufwendungen für die Ausstattung des Arbeitszimmers unterliegen den gleichen Regeln wie das Arbeitszimmer selbst (§ 4 Abs. 5 Nr. 6b EStG). Sie sind also entweder unbegrenzt, im Rahmen des Höchstbetrages oder gar nicht absetzbar.

Allerdings ist darauf zu achten, dass Einrichtungsgegenstände wie Schreibtisch, Bürostuhl, Bücherregal oder ein Rollcontainer nicht zur “Ausstattung” des Arbeitszimmers gehören und immer in voller Höhe – zusätzlich zum Höchstbetrag – absetzbar sind (vgl. Urteil des BFH vom 21.11.1997, BStBl. 1998 II S. 351; BMF-Schreiben vom 7.1.2004, BStBl. 2004 I S. 143, Tz. 20).

Neu ist: Für jeden vollen Kalendermonat, in dem die genannten Voraussetzungen nicht vorliegen, wird die Jahrespauschale um ein Zwölftel gekürzt. Dies gilt insbesondere dann, wenn die betriebliche oder berufliche Tätigkeit nicht ununterbrochen in der häuslichen Wohnung ausgeübt wird.

Wird die betriebliche oder berufliche Tätigkeit nur tageweise in der häuslichen Wohnung ausgeübt, weil an den übrigen Arbeitstagen ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht, kommt ein Abzug der Aufwendungen nur über die Homeoffice-Pauschale gem. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6c EStG in Betracht (vgl. unten).

7. Homeoffice-Pauschale für Arbeitsplatz in der häuslichen Wohnung

Mit dem Jahressteuergesetz 2022 gibt es folgende Neuregelung zum Abzug der Aufwendungen für einen Arbeitsplatz in der häuslichen Wohnung (§ 4 Abs. 5 Nr. 6c i.V.m. § 9 Abs. 5 EStG, eingefügt durch das “Jahressteuergesetz 2022” vom 16.12.2022):

Für jeden Kalendertag, an dem die betriebliche oder berufliche Tätigkeit überwiegend in der häuslichen Wohnung ausgeübt und keine außerhalb der häuslichen Wohnung belegene erste Tätigkeitsstätte aufgesucht wird, kann für die gesamte betriebliche und berufliche Betätigung ein Betrag von 6 Euro (Tagespauschale), höchstens 1.260 Euro im Wirtschafts- oder Kalenderjahr, abgezogen werden.

Steht für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit dauerhaft kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung, ist ein Abzug der Tagespauschale zulässig, auch wenn die Tätigkeit am selben Kalendertag auswärts oder an der ersten Tätigkeitsstätte ausgeübt wird.

Der Abzug der Tagespauschale ist nicht zulässig, soweit für die Wohnung Unterkunftskosten im Rahmen der Nr. 6a oder des § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 abgezogen werden können oder soweit ein Abzug nach Nr. 6b vorgenommen wird.

Homeoffice-Pauschale gem. § 4 Abs. 5 Nr. 6c i.V.m. § 9 Abs. 5 EStG

Achtung: § 4 Abs. 5 Nr. 6b EStG geht es um den Typus “häusliches Arbeitszimmer”. In § 4 Abs. 5 Nr. 6c EstG geht es dagegen um einen Arbeitsplatz in der häuslichen Wohnung. Die ursprünglich befristete Regelung der Homeoffice-Pauschale während der Coronapandemie bleibt also bestehen.

Ist der Arbeitsplatz in der häuslichen Wohnung (Homeoffice) nicht der Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung und steht dauerhaft kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung, können die Aufwendungen hierfür mit einer Tagespauschale von 6 Euro (maximal 1.260 Euro/Jahr) abgesetzt werden.

Steht dem Steuerpflichtigen für die betriebliche und berufliche Tätigkeit ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung, kann für die berufliche Tätigkeit zu Hause eine Homeoffice-Pauschale von 6 Euro/Tag (maximal 1.260 Euro/Jahr) abgesetzt werden.

8. Einkünfte aus Kapitalvermögen: Erhöhung Sparerpauschbetrag

Im Falle einer Gewinnausschüttung der GmbH an ihre Gesellschafter müssen diese die Kapitalerträge als Einkünfte aus Kapitalvermögen versteuern (Anlage KAP), sofern diese den Sparerpauschbetrag gem. § 20 Abs. 9 EStG übersteigen. Ein Abzug der tatsächlichen Werbungskosten ist dagegen ausgeschlossen.

Ab 01.01.2023 steigt der Sparerpauschbetrag von EUR 801 auf EUR 1.000, bei Verheirateten von EUR 1.602 auf EUR 2.000. Entsprechend wird auch der sog. Freistellungsbetrag gem. § 20 Abs. 9 EStG erhöht.

Sparerfreibetrag ab 01.01.20222023
EUREUR
Ledige8011.000
Verheiratete1.6022.000
Tabelle zum Jahressteuergesetz 2022: Sparerfreibetrag ud Freistellungsbetrag

9. Vereinfachung der Rechnungsabgrenzung in der Bilanz

Mit Hilfe der Rechnungsabgrenzungposten in der Bilanz der GmbH werden Betriebsausgaben und Betriebseinnahmen dem Wirtschaftsjahr zugeordnet, zu dem sie wirtschaftlich gehören.

Aktive Rechnungsabgrenzungsposten (ARAP) sind zu bilden, wenn Betriebsausgaben vor dem Abschlussstichtag getätigt werden, aber wirtschaftlich dem folgenden Wirtschaftsjahr zuzuordnen sind. Passive Rechnungsabgrenzungsposten (PRAP) sind zu bilden, wenn Betriebseinnahmen vor dem Abschlussstichtag vereinnahmt werden, aber wirtschaftlich dem folgenden Wirtschaftsjahr zuzuordnen sind (§ 5 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 und 2 EStG).

Zur Vereinfachung der Bilanz der GmbH und zum Abbau der Bürokratie in Deutschland wurde im Jahressteuergesetz 2022 eine Wesentlichkeitsgrenze eingeführt, die sich an den Schwellen für geringwertige Wirtschaftsgüter orientiert.

Als Rechnungsabgrenzungsposten sind nur anzusetzen

  1. auf der Aktivseite Ausgaben vor dem Abschlussstichtag, soweit sie Aufwand für eine bestimmte Zeit nach diesem Tag darstellen;
  2. auf der Passivseite Einnahmen vor dem Abschlussstichtag, soweit sie Ertrag für eine bestimmte Zeit nach diesem Tag darstellen.

Der Ansatz eines Rechnungsabgrenzungspostens kann unterbleiben, wenn die jeweilige Ausgabe oder Einnahme im Sinne des Satzes 1 den Betrag des § 6 Abs. 2 Satz 1 nicht übersteigt; das Wahlrecht ist einheitlich für alle Ausgaben und Einnahmen im Sinne des Satzes 1 auszuüben.

§ 5 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 und 2 EStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2022

Hiernach sind aktive und passive Rechnungsabgrenzungsposten nur noch dann zu bilden, wenn die einzelne Betriebsausgabe oder Betriebseinnahme den Betrag von 800 Euro übersteigt (§ 5 Abs. 5 Satz 2 EStG, eingefügt durch das “Jahressteuergesetz 2022” vom 16.12.2022). Das ist eine echte Erleichterung bei der Aufstellung des Jahresabschlusses für Kleinstkapitalgesellschaften und kleine GmbHs.

10. Jahressteuergesetz 2022 und Betriebliche Altersvorsorge

Das Jahressteuergesetz 2022 bringt diverse Änderungen im Rahmen der betrieblichen Altersvorsorge mit sich, die in einem gesonderten Beitrag dargestellt werden.

11. Gesetzliche Fristverlängerungen für die Abgabe der Steuererklärungen

Kapitalgesellschaften wie die GmbH und UG (haftungsbeschränkt) müssen alljährlich neben der E-Bilanz mindestens die folgenden Steuererklärungen an das zuständige Finanzamt übermitteln:

  • Körperschaftsteuererklärung mit Anlagen;
  • Erklärung zur gesonderten Feststellung des steuerlichen Einlagekontos sowie des Sonderausweises;
  • Gewerbesteuererklärung;
  • Umsatzsteuererklärung.

Wegen der erheblichen Belastungen durch die Coronapandemie hat der Gesetzgeber wiederholt diverse gesetzliche Fristverlängerungen gewährt.

Für die Steuererklärungen 2021 wurde die gesetzliche Abgabefrist für Selbstersteller vom 31.07.2022 auf den 31.10.2022 verlängert. Hat die GmbH einen Steuerberater beauftragt, verlängert sich die Abgabefrist vom 28.02.2023 auf den 31.08.2023 (§ 36 Abs. 3 Nr. 1b EGAO, eingefügt durch das “Vierte Corona-Steuerhilfegesetz” vom 19.6.2022).

Für die Steuererklärungen 2022 wurde die gesetzliche Abgabefrist für Selbstersteller vom 31.07.2023 auf den 30.09.2023 verlängert. Hat die GmbH einen Steuerberater beauftragt, verlängert sich die Abgabefrist vom 29.02.2024 auf den 31.07.2024 (§ 36 Abs. 3 Nr. 1c EGAO, eingefügt durch das “Vierte Corona-Steuerhilfegesetz” vom 19.6.2022).

Für die Steuererklärungen 2023 wurde die gesetzliche Abgabefrist für Selbstersteller vom 31.07.2024 auf den 31.08.2024 verlängert. Hat die GmbH einen Steuerberater beauftragt, verlängert sich die Abgabefrist vom 28.02.2025 auf den 31.05.2025 (§ 36 Abs. 3 Nr. 1d EGAO, eingefügt durch das “Vierte Corona-Steuerhilfegesetz” vom 19.6.2022).

Abgabefristen für Steuererklärungen der GmbH
JahrSelbsterstellerSteuerberater
202131.10.202231.08.2023
202202.10.202331.07.2024
202302.09.202402.06.2025
202431.07.202530.04.2026
202531.07.202601.03.2027
Tabelle zum Jahressteuergesetz 2022: Gesetzliche Fristverlängerung der Abgabefristen für Steuererklärungen

12. Jahressteuergesetz 2022: Änderungen im Umsatzsteuerrecht

Die Änderungen im Umsatzsteuerrecht infolge des Jahressteuergesetzes 2022 werden in einem gesonderten Beitrag dargestellt.

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