Am 20.07.2023 hat der 12. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) in drei Revisionsverfahren entschieden, dass eine natürliche Person ungeachtet ihrer Stellung als alleiniger geschäftsführender Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft als sozialversicherungspflichtiger Angestellter eines anderen Unternehmens betrachtet werden kann, wenn die tatsächlichen Umstände einer Tätigkeit in diesem Unternehmen auf eine abhängige Beschäftigung hindeuten. Dies gilt auch dann, wenn ein schriftlicher Auftrag oder Vertrag nur zwischen der Kapitalgesellschaft und dem Auftraggeber besteht. Das Risiko der Haftung für nicht bezahlte Sozialversicherungsbeiträge trägt der Auftraggeber.

BSG bestätigt Sozialversicherungspflicht des alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführers bei Beschäftigung beim Auftraggeber

Am 20.07.2023 hat das Bundessozialgericht (BSG) in drei Revisionsverfahren (Az. B 12 BA 1/23 R, B 12 R 15/21 R und B 12 BA 4/22 R) erneut wichtige Entscheidungen zum Versicherungs- und Beitragsrecht getroffen. Sie bestätigten die Sozialversicherungspflicht von Personen, die als alleinige geschäftsführende Gesellschafter einer GmbH oder UG (haftungsbeschränkt) für ein anderes Unternehmen tätig sind.

Der Leitsatz dieser Entscheidungen lautet, dass eine natürliche Person ungeachtet ihrer Stellung als alleiniger geschäftsführender Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft als Angestellter eines anderen Unternehmens betrachtet werden kann, wenn die tatsächlichen Umstände der Tätigkeit in diesem Unternehmen auf eine abhängige Beschäftigung hindeuten. Dies gilt auch dann, wenn ein schriftlicher Vertrag nur zwischen der Kapitalgesellschaft und dem Auftraggeber besteht.

Der Leitsatz dieser Entscheidungen lautet: Eine natürliche Person kann als Angestellter eines anderen Unternehmens betrachtet werden, wenn die tatsächlichen Umstände ihrer Tätigkeit auf eine abhängige Beschäftigung hindeuten, selbst wenn sie alleiniger geschäftsführender Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft ist und ein schriftlicher Vertrag nur zwischen der Kapitalgesellschaft und dem Auftraggeber besteht.

Leitsatz der Urteile des BSG vom 20.07.2023

Eine Vertragsbeziehung zwischen dem Auftraggeber und einer Ein-Personen-Kapitalgesellschaft führt nicht automatisch zum Ausschluss der Sozialversicherungspflicht des geschäftsführenden Gesellschafters, wenn sich die Tätigkeit der natürlichen Person nach deren tatsächlichem Gesamtbild als abhängige Beschäftigung beim Auftraggeber darstellt.

BSG, Urteil vom 20.07.2023, B 12 BA 1/23 R, B 12 R 15/21 R und B 12 BA 4/22 R

In zwei der drei Fällen bestanden Verträge zwischen dem Betreiber eines Krankenhauses und einer UG (haftungsbeschränkt) über die Erbringung von Pflegeleistungen zugunsten der Patienten im Krankenhaus. Die tatsächlichen Pflegeleistungen erbrachten aber ausschließlich die geschäftsführenden Gesellschafter, die den Vertrag mit dem Betreiber der Krankenhäuser in Vertretung ihrer Ein-Mann-Kapitalgesellschaft unterzeichnet hatten. In beiden Fällen war es eine UG (haftungsbeschränkt), aber dieser Grundsatz gilt gleichermaßen für die Geschäftsführer einer GmbH.

Auslöser dieser Rechtsstreitigkeiten waren die Entscheidungen der Deutschen Rentenversicherung, die in allen Fällen eine Versicherungspflicht der geschäftsführenden Gesellschafter aufgrund der Beschäftigung beim Auftraggeber festgestellt hatte. Es geht hier also nicht um die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung der Tätigkeit der Gesellschafter-Geschäftsführer in der eigenen GmbH oder UG (haftungsbeschränkt), sondern um die Tätigkeit bei einem Auftraggeber.

BSG: Entscheidung über Sozialversicherungspflicht einer natürlichen Person immer abhängig von den tatsächlichen Umständen der Tätigkeit im jeweiligen Einzelfall

Das BSG bestätigte in letzter Instanz die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung der Tätigkeiten durch die Deutsche Rentenversicherung und stellte klar, dass die Entscheidung über die Sozialversicherungspflicht einer natürlichen Person immer von den konkreten tatsächlichen Umständen der Tätigkeit abhängt. Die von den Parteien in einem Vertrag gewählte Bezeichnung oder gewünschte Rechtsfolge ist dabei nicht ausschlaggebend. Vielmehr richtet sich die Abgrenzung zwischen einer selbständigen Tätigkeit und einer abhängigen Beschäftigung (Scheinselbständigkeit) nach den tatsächlichen Umständen des Einzelfalles, die sich aus den ausdrücklichen Vereinbarungen der Vertragsparteien und der praktischen Durchführung des Vertrages ergibt.

Diese Entscheidungen des BSG sind für viele Unternehmen sicher enttäuschend, die ihre langjährigen freien Mitarbeiter zur Gründung einer GmbH oder UG (haftungsbeschränkt) gedrängt haben, um das Risiko einer Scheinselbständigkeit zu vermeiden. Allerdings besteht nunmehr Klarheit in dieser Rechtsfrage, die ich schon immer für eine eher bedingt geeignete Strategie zur Vermeidung einer Scheinselbständigkeit angesehen habe.

Anwendbarkeit auf die Entscheidung über die Rentenversicherungspflicht selbständiger Unternehmer mit nur einem Auftraggeber

Im Übrigen ist zu ergänzen, dass mit diesen Entscheidungen des BSG auch das Risiko gestiegen ist, dass allein die Gründung einer GmbH oder UG (haftungsbeschränkt) keine geeignete Strategie ist, um eine Rentenversicherungspflicht für selbständige Unternehmer mit nur einem Auftraggeber gem. § 2 SGB VI zu vermeiden.

Muster und Vorlagen für Geschäftsführer:

formblitz-muster-vorlagen-pakete