Es existiert kein Rechtssatz, wonach eine inkongruente Gewinnausschüttung grundsätzlich einen Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne von § 42 Abs. 1 S . 1 AO darstellt. Nach § 29 Abs. 3 S. 1 GmbHG erfolgen Gewinnausschüttungenan die Gesellschafter einer GmbH zwar grundsätzlich nach dem Verhältnis der Geschäftsanteile, also quotal bzw. kongruent. Allerdings ist die Möglichkeit einer inkongruenten Gewinnausschüttung in § 29 Abs. 3 GmbHG ist ausdrücklich vorgesehen.

Inkongruente Gewinnausschüttung

Das Urteil des FG Münster vom 30.06.2021 (13 K 272/19 G,F) bejaht die Zulässigkeit der inkongruenten Gewinnausschüttung jedenfalls dann, wenn der Gesellschaftsvertrag der GmbH eine entsprechende Klausel enthält. Gleichzeitig zeigt das Urteil, dass die inkongruente Gewinnausschüttung beim Finanzamt nach wie vor mit Argwohn betrachtet wird. Im Streitfall war eine entsprechende Klausel im maßgeblichen Gesellschaftsvertrag der ausschüttenden Gesellschaft zur Möglichkeit einer disquotalen Gewinnverteilung vorhanden. Daher musste das FG Münster nicht entscheiden, ob die inkongruente Gewinnausschüttung im Streitfall auch ohne entsprechende Klausel i.S.v. § 29 Abs. 3 GmbHG zulässig wäre.

Rechtsprechung des BFH zur inkongruenten Gewinnausschüttung

Das FG Münster beruft sich auf die Rechtsprechung des BFH, insbesondere auf das Urteil vom 19.08.1999 (I R 77/96). Darin begründet der BFH die Zulässigkeit inkongruenter Gewinnausschüttungen damit, dass sich die Anteilseigner einer GmbH gem. § 29 Abs. 3 GmbHG auf eine von den Beteiligungsverhältnissen abweichende Gewinnbeteiligung verständigen könnten. Es bestünden grundsätzlich keine Bedenken, dem auch in steuerrechtlicher Hinsicht zu folgen. Zur Begründung verweist der BFH auch darauf, dass jede verdeckte Gewinnausschüttung gem. § 8 Abs. 3 S. 2 KStG eine inkongruente Gewinnausscchüttung darstellt. Es gebe jedoch keinen Grund, eine offene inkongruente Gewinnausschüttung im Einklang mit gesellschaftsrechtlichen Regelungen steuerlich hiervon abweichend zu behandeln (BFH-Urteil vom 19.8.1999, I R 77/96).

In dem Beschluss vom 27.05.2010 stellt der BFH fest, dass die Rechtslage insofern geklärt ist (BFH-Beschluss vom 27.5.2010, VIII B 146/08). Dieselben Grundsätze hat der BFH auch in den Konstellationen des sog. Leg-ein-Hol-zurück-Verfahrens (BFH-Urteil vom 8.8.2001, I R 25/00) und des sog. Rücklagenmanagements zur „Mobilisierung“ von Körperschaftsteuerguthaben zugrunde gelegt (BFH-Urteil vom 28.6.2006, I R 97/05).

Die Zulässigkeit der inkongruenten Gewinnausschüttung gilt lt. Urteil des FG Münster vom 30.06.2021 jedenfalls dann uneingeschränkt, wenn die Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag der GmbH gem. § 29 Abs. 3 S. 2 GmbHG einen anderen Maßstab der Verteilung als das Verhältnis der Geschäftsanteile vereinbart haben oder eine Öffnungsklausel dahingehend besteht (FG Köln, Urteil vom 14.9.2016, 9 K 1560/14; FG Münster, Urteil vom 6.5.2020, 9 K 3359/18 E).

Zulässigkeit inkongruenter Gewinnausschüttungen lt. BMF-Schreiben vom 17.12.2013

Die Finanzverwaltung folgt der Rechtsprechung des BFH gem. Urteil vom 19.08.1999 und bejaht die Zulässigkeit unter folgenden Bedingungen: Im Falle einer inkongruenten Gewinnausschüttung der GmbH haben die Gesellschafter i.S.v. § 29 Abs. 3 S. 2 GmbHG im Gesellschaftsvertrag einen anderen Maßstab der Gewinnverteilung festgesetzt. Für eine nachträgliche Änderung der Satzung zur Regelung einer inkongruenten Gewinnverteilung ist gem. § 53 Abs. 3 GmbHG die Zustimmung aller beteiligten Gesellschafter erforderlich. Alternativ enthält die Satzung anstelle eines konkreten Verteilungsmaßstabs eine Klausel, nach der alljährlich mit Zustimmung der beeinträchtigten Gesellschafter oder einstimmig über eine von der satzungsmäßigen Regelung abweichende Gewinnverteilung beschlossen werden kann, und der Beschluss ist mit der in der Satzung bestimmten Mehrheit gefasst worden. Vgl. BMF-Schreiben vom 17.12.2013 (IV C 2 – S 2750 a/11/10001).

Muster und Vorlagen für Geschäftsführer:

formblitz-muster-vorlagen-pakete