Die Sozialversicherungspflicht der Geschäftsführer einer GmbH ist ein komplexes und in meiner Kanzlei häufig diskutiertes Thema, das insbesondere in Holding-Konstruktionen schwierig zu beurteilen ist, da wir es hier in der Regel mit mittelbar beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführern zu tun haben.

Ein jüngstes Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 20.02.2024 verdeutlicht erneut die vielschichtige Materie, dient aber auch als wichtige Grundlage für die richtige Beurteilung der Sozialversicherungspflicht von Geschäftsführern in solchen Holding-Konstruktionen. Im Kern des Streits ging es um einen Statusfeststellungsbescheid der Deutschen Rentenversicherung betreffend einen nur mittelbar beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführer, in dem ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis in der operativen GmbH bejaht wurde. Demgegenüber argumentierte die betroffene GmbH als Klägerin, dass der Geschäftsführer aufgrund seiner Beteiligung an der Holding-GmbH wesentlichen Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschafterversammlung habe und insbesondere jede ihm nicht genehme Beschlussfassung verhindern könne.

Zuvor hatte bereits das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus zurückgewiesen (Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 03.12.2021, L 1 KR 1/17).

Da die Holding-Konstruktionen in Deutschland zunehmend beliebt werden und zahlenmäßig zunehmen, möchte ich die Gelegenheit nutzen, nochmals auf die Kriterien einzugehen, die bei der Beurteilung der Sozialversicherungspflicht von Geschäftsführern heranzuziehen sind.

Inhalt:

  1. Sozialversicherungspflicht der GmbH-Geschäftsführer
  2. Mittelbar beteiligte Gesellschafter-Geschäftsführer
  3. Urteil des BSG vom 21.02.2024 zur Sozialversicherungspflicht des mittelbar beteiligten Geschäftsführers

1. Sozialversicherungspflicht der GmbH-Geschäftsführer

Entscheidendes Merkmal für eine abhängige Beschäftigung ist auch beim Geschäftsführer einer GmbH das Vorliegen von Weisungsgebundenheit, das in dieser Personengruppe jedoch nach besonderen Merkmalen zu prüfen ist. Hiernach ist allgemein anerkannt, dass der Geschäftsführer einer GmbH in keinem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zur GmbH steht, wenn er mindestens über die Hälfte des Stammkapitals verfügt und damit einen maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft besitzt (Urteil des BSG vom 11.11.2015, B 12 KR 10/14 R).

Verfügt ein Gesellschafter-Geschäftsführer dagegen über weniger als 50 % des Stammkapitals, indiziert dies eine abhängige Beschäftigung, die nur durch besondere Umstände entkräftet werden kann. In diesen Fällen ist entscheidend, ob der Gesellschafter-Geschäftsführer die qualifizierte Rechtsmacht im Sinne einer Sperrminorität besitzt, um ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung zu verhindern (Urteil des BSG vom 11.11.2015, B 12 KR 2/14 R). Ist das der Fall, überwiegen nach Verwaltungspraxis und Rechtsprechung die Kriterien, die für eine selbständige Tätigkeit sprechen.

2. Mittelbar beteiligte Gesellschafter-Geschäftsführer der GmbH

Der Geschäftsführer einer GmbH kann seine Tätigkeit grundsätzlich nur dann selbständig ausüben, wenn er als sog. Gesellschafter-Geschäftsführer am Stammkapital dieser GmbH beteiligt ist und auf dieser Basis Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschafterversammlung nehmen kann. Demgegenüber scheidet bei einem Fremdgeschäftsführer eine selbständige Tätigkeit grundsätzlich aus, weil er gem. § 37 Abs. 1 GmbHG an die Weisungen der Gesellschafterversammlung gebunden ist.

2.1. Einflussnahme kraft der Stellung als Gesellschafter einer Holdinggesellschaft

Wie wir allerdings seit dem Urteil des BSG vom 23.02.2021 (B 12 R 18/18 R) wissen, kann eine im Rahmen des Sozialversicherungsrechts beachtliche Rechtsmacht auch daraus resultieren, dass der Geschäftsführer kraft seiner Stellung als Gesellschafter einer anderen Gesellschaft in der Lage ist, Einfluss auf den Inhalt von Gesellschafterbeschlüssen der von ihm geführten Gesellschaft zu nehmen. Eine solche mittelbare (von der Beteiligung an einer anderen Gesellschaft abgeleitete) Rechtsmacht ist jedoch nur beachtlich, wenn sie ihrerseits im Gesellschaftsrecht wurzelt, also durch Gesellschaftsvertrag eindeutig geregelt ist und unmittelbar auf das zu beurteilende Rechtsverhältnis durchschlägt.

Entscheidend ist, ob dem GmbH-Geschäftsführer selbst und unmittelbar eine ausschlaggebende Einflussnahme auf die Gesellschafterbeschlüsse der von ihm geführten Gesellschaft möglich ist oder er zumindest ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung verhindern kann. Denn ein Geschäftsführer übt seine Tätigkeit nur dann selbständig aus, wenn er kraft seiner Gesellschaftsanteile über die Rechtsmacht verfügt, auf die Beschlüsse der Gesellschaft einzuwirken, für die er die Geschäftsführung übernommen hat (BSG, Urteil vom 8.7.2020, B 12 R 26/18 R; BSG, Urteile vom 08.07.2020, B 12 R 2/19 R und B 12 R 4/19 R sowie – B 12 R 6/19 R).

2.2. Jederzeit in der Lage, ein Abstimmungsverhalten der beteiligten Holding-GmbH maßgeblich zu beeinflussen

Wenn sich das Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung der operativen GmbH (wo das zu beurteilende Anstellungsverhältnis besteht) nach den Geschäftsanteilen bestimmt, müsste der Geschäftsführer jederzeit in der Lage sein, ein Abstimmungsverhalten der beteiligten Holding-GmbH maßgeblich zu beeinflussen. In diesem Sinne müsste er die gesellschaftsrechtlich verwurzelte Rechtsmacht besitzen, eine direkte Weisung der Gesellschafterversammlung per Gesellschafterbeschluss zu verhindern.

Eine solche Rechtsmacht des Geschäftsführers ist zu bejahen, wenn die Holding-GmbH mindestens 50 % der Anteile an der Tochter-GmbH hält und dem an der Muttergesellschaft beteiligten geschäftsführenden Gesellschafter durch deren Gesellschaftsvertrag die Möglichkeit eingeräumt ist, Beschlüsse der Gesellschafterversammlung der Tochtergesellschaft unmittelbar zu beeinflussen und damit zugleich ihm nicht genehme Weisungen zu verhindern (BSG, Urteil vom 8.7.2020, B 12 R 26/18 R).

3. Urteil des BSG vom 21.02.2024 zur Sozialversicherungspflicht des mittelbar beteiligten Geschäftsführers

Für die Beurteilung der Sozialversicherungspflicht von Geschäftsführern in Holding-Konstruktionen stellt das Urteil des BSG vom 21.02.2024 (B 12 KR 1/22 R) wertvolle Informationen bereit.

Klägerin war eine operative GmbH, die 1990 von dem Ehepaar K & H mit einem Stammkapital von 100.000 DM gegründet wurde. Im Jahre 2009 erfolgte eine Umstrukturierung der Beteiligungsstruktur dahin gehend, dass die Ehegatten die K H GmbH als Holding gründeten, sich als deren einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer bestellten, und an der sie beide jeweils die Hälfte der Anteile übernahmen. Gleichzeitig haben sie 50 % ihrer Beteiligung an der operativen GmbH an einen neuen Gesellschafter abgetreten. Beschlüsse der Gesellschafterversammlungen sollten in beiden Gesellschaften mit einfacher Mehrheit getroffen werden.

3.1. Deutsche Rentenversicherung stellt abhängige Beschäftigung des Geschäftsführers fest

Im Rahmen einer Betriebsprüfung bei der operativen GmbH stellte die Deutsche Rentenversicherung fest, dass der Geschäftsführer K als abhängig beschäftigter Geschäftsführer der Sozialversicherungspflicht unterliegt. Die Klage der GmbH gegen den Feststellungsbescheid wies das Sozialgericht Cottbus (S 6 R 343/15) ab. Die Berufung gegen dieses Urteil hatte ebenfalls keinen Erfolg (L 1 KR 1/17).

Da der Geschäftsführer K am Stammkapital der Klägerin nicht beteiligt ist und sich das Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung ausschließlich nach den Geschäftsanteilen richtet, müsste er jederzeit in der Lage sein, ein Abstimmungsverhalten der Holding-GmbH zu erreichen, das sich erfolgreich gegen die von dem anderen Gesellschafter der Klägerin gestellten Anträge stellt. Nur so könnte er eine Weisung der Gesellschafterversammlung der Klägerin verhindern. Da er aber am Stammkapital der Holding-GmbH nur hälftig beteiligt ist und die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst werden, war er gesellschaftsrechtlich nicht jederzeit in der Lage, einen Beschluss der Gesellschafterversammlung der Holding-GmbH herbeizuführen, welcher auf die Abgabe einer Gegenstimme zu einem von dem anderen Gesellschafter der Klägerin gestellten Antrag gerichtet ist.

3.2. Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 03.12.2021

Die Ausübung von Stimmrechten kraft Beteiligung in anderen Gesellschaften gehört zwar zu den laufenden Angelegenheiten der Geschäftsführung, zu der für den Geschäftsführer keine besondere Ermächtigung durch die Gesellschafterversammlung erforderlich ist. Daher würde man zunächst annehmen, dass K als einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Holding-GmbH jederzeit in der Lage wäre, einen Beschluss der Gesellschafterversammlung der operativen GmbH gegen seinen Willen zu verhindern. Dies ist jedoch nicht der Fall.

Seine Stellung als einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Holding-GmbH ermöglichte es dem Geschäftsführer der operativen GmbH eben nicht, jederzeit wirksam eine Gegenstimme zu einem von dem anderen Gesellschafter gestellten Antrag abzugeben.

Der Grund hierfür ist im Gesellschaftsrecht verwurzelt: Die Ehefrau des Geschäftsführers ist nicht nur gleichberechtigte Mitgesellschafterin in der Holding-GmbH, sondern ebenso einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführerin.

Bei einem entgegengesetzten Abstimmungsverhalten der Ehefrau in einer Gesellschafterversammlung der operativen GmbH gilt folgender Grundsatz: Bei inhaltlich widersprüchlichem Verhalten der Gesellschafter wird nichts rechtswirksam erklärt, so dass ein von beiden Geschäftsführern der Holding-GmbH abgegebenes gegenläufiges Votum weder als Zustimmung noch als Ablehnung anzusehen ist. Vielmehr wäre keine Stimme abgegeben worden.

Nach § 47 GmbHG entscheidet in der Gesellschafterversammlung einer GmbH aber die Mehrheit der abgegebenen Stimmen, sodass sich der andere Gesellschafter der Klägerin dann mit seinem Antrag durchsetzen könnte.

Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 03.12.2021, L 1 KR 1/17

Letztendlich hat das Bundessozialgericht die Entscheidung des LSG Berlin-Brandenburg bestätigt.

Muster und Vorlagen für Geschäftsführer:

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