Mit mehreren Urteilen vom 08.07.2020 hat das BSG die Grundsätze zur Statusbeurteilung beim mittelbar beteiligten GmbH-Geschäftsführer fortentwickelt, die in ihrer praktischen Bedeutung nicht zu unterschätzen sind. In den umstrittenen Fällen waren die Geschäftsführer am Stammkapital der GmbH nicht unmittelbar beteiligt, d.h. es handelte sich im rechtlichen Sinne um Fremdgeschäftsführer, die nach der bisherigen Rechtsprechung des BSG und in der Verwaltungspraxis regelmäßig als abhängig beschäftigte Mitarbeiter der GmbH gelten und infolgedessen der Sozialversicherungspflicht unterliegen.

Anhand diverser Konstellationen hat das BSG jedoch entschieden, dass auch ein Fremdgeschäftsführer eine die abhängige Beschäftigung ausschließende Rechtsmacht besitzen kann, wenn er kraft seiner Stellung als Gesellschafter einer anderen Gesellschaft in der Lage ist, Einfluss auf den Inhalt von Gesellschafterbeschlüssen der von ihm geführten Gesellschaft zu nehmen.

In diesem Sinne hat das BSG die Grundsätze zur Statusbeurteilung beim GmbH-Geschäftsführer fortentwickelt und weitere Grundsätze für mittelbar beteiligte Geschäftsführer aufgestellt. Diese betreffen insbesondere die Geschäftsführer der Komplementär-GmbH einer GmbH & Co. KG, aber auch die Geschäftsführer einer GmbH im Rahmen von Mutter-Tochter-Beziehungen bzw. in Konzernstrukturen, die in Deutschland sogar recht häufig sind.

Nachfolgend geht es um das Urteil des BSG vom 08.07.2020 betreffend den mittelbar beteiligten Geschäftsführer einer GmbH, deren Stammkapital zu 100% von einer GmbH & Co. KG gehalten wird, an welcher der Geschäftsführer wiederrum als Kommanditist beteiligt ist.

Inhalt:

  1. Grundsätze des BSG zur Statusbeurteilung beim GmbH-Geschäftsführer
  2. Neue Grundsätze des BSG zur Statusbeurteilung beim mittelbar beteiligten GmbH-Geschäftsführer
  3. Grundsätze zur Statusbeurteilung beim Geschäftsführer einer GmbH, deren Anteile zu 100% von einer GmbH & Co. KG gehalten werden

1. Grundsätze des BSG zur Statusbeurteilung beim GmbH-Geschäftsführer

In einer Reihe von Urteilen hat das BSG in 2012 – von vielen zunächst unbemerkt – neue Grundsätze zur Statusbeurteilung beim GmbH-Geschäftsführer aufgestellt. Für viele GmbH-Geschäftsführer änderte sich damit von heute auf morgen deren sozialversicherungsrechtlicher Status, insbesondere bei den Geschäftsführern in Familien-GmbHs und Gesellschaften mit mehr als 2 Gesellschaftern.

Inzwischen sind diese Grundsätze zur Statusbeurteilung bzw. Sozialversicherungspflicht der GmbH-Geschäftsführer allgemein bekannt.

Seitdem sind am Stammkapital der GmbH nicht beteiligte Geschäftsführer (sog. Fremdgeschäftsführer) regelmäßig abhängig beschäftigt i.S.d. § 7 Abs. 1 SGB IV. Daraus folgte, dass sie grundsätzlich wie andere Mitarbeiter in einem Unternehmen der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung, Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegen. In den meisten Fällen erstreckt sich die Versicherungspflicht jedoch nur auf die gesetzliche Rentenversicherung (GRV) und nach dem Recht der Arbeitsförderung.

2. Neue Grundsätze des BSG zur Statusbeurteilung beim mittelbar beteiligten GmbH-Geschäftsführer

Mit mehreren Urteilen vom 08.07.2020 hat das BSG seine Rechtsprechung zu den Fremdgeschäftsführern dahingehend erweitert, dass bei der Statusbeurteilung eine etwaige Stellung als Gesellschafter einer anderen Gesellschaft zu berücksichtigen ist, wenn diese dem Geschäftsführer die Rechtsmacht verleiht, Einfluss auf den Inhalt von Gesellschafterbeschlüssen der von ihm geführten Gesellschaft zu nehmen. Diese Konstellationen findet man insbesondere bei der GmbH & Co. KG, aber auch bei bei GmbHs, deren Stammkapital von einer Muttergesellschaft gehalten wird, sei es in der Rechtsform einer GmbH, GmbH & Co. KG, UG (haftungsbeschränkt) oder einer Kommanditgesellschaft.

Eine die abhängige Beschäftigung ausschließende Rechtsmacht kann auch daraus resultieren, dass der Fremdgeschäftsführer kraft seiner Stellung als Gesellschafter einer anderen Gesellschaft in der Lage ist, Einfluss auf den Inhalt von Gesellschafterbeschlüssen der von ihm geführten Gesellschaft zu nehmen. Es ist somit auch dessen Rechtsstellung innerhalb einer anderen Gesellschaft zu berücksichtigen, die wiederum in Rechtsbeziehungen zu der Gesellschaft steht, deren Geschäftsführung Gegenstand der Statusbeurteilung ist.

Denn ein Geschäftsführer ist nach bisheriger Rechtsprechung selbstständig tätig, wenn er die Rechtsmacht hat, auf Beschlüsse der von ihm geführten Gesellschaft Einfluss zu nehmen. Dabei kann es keine Rolle spielen, ob er diese Rechtsmacht unmittelbar aus seiner Gesellschafterstellung in der von ihm geführten Gesellschaft oder (mittelbar) aus seiner Beteiligung an einer anderen Gesellschaft ableitet.

Eine solche (mittelbar abgeleitete) Rechtsmacht ist jedoch nur beachtlich, wenn sie ihrerseits im Gesellschaftsrecht wurzelt, also durch Gesellschaftsvertrag geregelt ist und unmittelbar auf das zu beurteilende Rechtsverhältnis durchschlägt. Entscheidend bleibt, dass der Geschäftsführer selbst und unmittelbar eine ausschlaggebende Einflussnahmemöglichkeit auf Gesellschafterbeschlüsse der von ihm geführten Gesellschaft hat oder zumindest ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung verhindern kann.

BSG, Urteil vom 08.07.2020 (B 12 R 6/19 R)

Die praktische Bedeutung dieser Urteile des BSG vom 08.07.2020 ist nicht zu unterschätzen, da wir es in Deutschland (auch aus steuerlichen Gründen) in vielen Fällen mit Geschäftsführern einer GmbH & Co. KG bzw. einer operativen GmbH im Rahmen von Mutter-Tochter-Beziehungen bzw. in Konzernstrukturen zu tun haben.

3. Statusbeurteilung beim Geschäftsführer einer GmbH, deren Anteile zu 100% von einer GmbH & Co. KG gehalten werden

Das Urteil des BSG vom 08.07.2020 unter dem Az. B 12 R 6/19 betrifft den Geschäftsführer der ABC GmbH, deren alleinige Gesellschafterin die XYZ GmbH & Co. KG (Muttergesellschaft) ist, diese wiederrum vertreten durch ihre persönlich haftende Gesellschafterin (XYZ Komplementär-GmbH). An der XYZ GmbH & Co. KG waren zwei Kommanditisten beteiligt, wobei neben dem Geschäftsführer der ABC GmbH dessen Vater einen Anteil von 51 % hielt.

Im Gesellschaftsvertrag der XYZ GmbH & Co. KG war geregelt, dass allein die XYZ GmbH als Komplementärin zur Geschäftsführung berechtigt ist und für Gesellschafterbeschlüsse die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen erforderlich ist. Hinsichtlich der Maßnahmen und Rechtshandlungen, die über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausgingen, hatten die Gesellschafter der XYZ GmbH & Co. KG vereinbart, dass die vorherige Zustimmung der Gesellschafterversammlung mit mindestens 75 % der abgegebenen Stimmen erforderlich ist.

Deutsche Rentenversicherung bejaht abhängige Beschäftigung im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens

Im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens hatte die Deutsche Rentenversicherung festgestellt, dass der Geschäftsführer in seiner Tätigkeit für die ABC GmbH in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung versicherungspflichtig ist.

LSG Niedersachsen-Bremen bejaht abhängige Beschäftigung in 2. Instanz

Das LSG Niedersachsen-Bremen hatte das Urteil des SG aufgehoben und die Klage des Geschäftsführers der ABC GmbH mit der Begründung abgewiesen, dass er mit seinem 49%-igen Anteil am Kapital der XYZ GmbH & Co. KG keine Rechtsmacht besaß, ihm nicht genehme Beschlüsse der Gesellschafterversammlung der ABC GmbH zu verhindern. Auch eine diesbezügliche umfassende Sperrminorität hatte das LSG verneint. Eine maßgebende Einflussnahme war dem Geschäftsführer der B GmbH nur insoweit möglich, wie es um Maßnahmen und Rechtshandlungen ging, die über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb der XYZ GmbH & Co. KG hinausgehen. Infolgedessen verneinte es eine die abhängige Beschäftigung in der ABC GmbH ausschließende Rechtsmacht.

BSG hebt Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen auf und weist Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurück

Auf die Revision des Klägers gegen das Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 28.06.2018 (L 1 R 621/16) sah sich das BSG nicht imstande, den Rechtsstreit mit einem endgültigen Urteil zu entscheiden. Es hat das Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Nichtsdestotrotz ist die Urteilsbegründung des BSG für das Verständnis der fortentwickelten Grundsätze zur Statusbeurteilung beim mittelbar beteiligten GmbH-Geschäftsführer sehr anschaulich. Es zeigt, dass sich eine die abhängige Beschäftigung ausschließende Rechtsmacht des Geschäftsführers der ABC GmbH aus verschiedenen Gründen ergeben kann.

Zunächst bestätigte das BSG die Urteilsbegründung des LSG Niedersachsen-Bremen:

Die Stellung des Klägers als Kommanditist der XYZ GmbH & Co. KG räumte ihm jedoch eine solche Rechtsmacht in Bezug auf die ABC GmbH nicht ein. Der allein auf der Kommanditeinlage beruhende gesellschaftsrechtliche Einfluss ist auf die GmbH & Co. KG beschränkt.

Als Kommanditist stand ihm allenfalls die Befugnis zu, die Geschäftsführung für die GmbH & Co. KG bezüglich der Grundlagengeschäfte und außergewöhnliche Geschäfte, nicht aber in Bezug auf gewöhnliche Geschäfte zu bestimmen. Die Verwaltung bestehender Beteiligungen, zu der die Stimmabgabe in Gesellschafterversammlungen von Tochtergesellschaften gehört, stellt aber in der Regel eine gewöhnliche Geschäftstätigkeit dar.

Kommanditisten einer GmbH & Co KG steht – anders als den Gesellschaftern einer GmbH – im Bereich der allein der Komplementär-GmbH obliegenden gewöhnlichen Geschäftsführung grundsätzlich kein Weisungsrecht zu (vgl. BGH, Urteil vom 11.2.1980, II ZR 41/79). Sie sind vielmehr nach § 164 S. 1 HGB von der Geschäftsführung grundsätzlich ausgeschlossen und können einer Handlung der persönlich haftenden Gesellschafter nicht widersprechen. Ausgenommen sind nur solche Handlungen, die über den gewöhnlichen Betrieb des Handelsgewerbes der Gesellschaft hinausgehen.

Die Regelung in § 164 S. 1 HGB ist zwar dispositiv (vgl § 163 HGB), so dass im Gesellschaftsvertrag einer GmbH & Co KG davon abweichend ein Weisungsrecht der Kommanditisten gegenüber dem Komplementär vereinbart werden. Von dieser Möglichkeit hat XYZ GmbH & Co. KG hier aber keinen Gebrauch gemacht.

BSG, Urteil vom 08.07.2020 (B 12 R 6/19)

Nach Ansicht des BSG waren die Feststellungen und die Begründung des LSG Niedersachsen-Bremen jedoch nicht ausreichend, um das Urteil zu stützen und die Statusbeurteilung beim Geschäftsführer der ABC GmbH abschließend zu entscheiden.

Allerdings vermag der Senat nicht zu entscheiden, ob der Kläger Weisungen der XYZ GmbH & Co. KH aufgrund von Sonderrechten auf Basis des Gesellschaftsvertrages der XYZ GmbH (Komplementär) oder aufgrund einer Rechtsmacht basieren auf einem Anteils am Stammkapital der XYZ GmbH verhindern konnte.

Denn das LSG hat weder Feststellungen zu den Gesellschaftern der XYZ GmbH noch zum Inhalt des Gesellschaftsvertrages der XYZ GmbH getroffen, welche wiederrum als Komplementärin der XYZ GmbH & Co. KG für die Verwaltung der Beteiligung an der ABC GmbH und die Stimmabgabe in deren Gesellschafterversammlung zuständig ist.

Infolgedessen kann in dem Rechtsstreit nicht beurteilt werden, ob den Kommanditisten im Gesellschaftsvertrag der Komplementär-GmbH ein Weisungsrecht gegenüber deren Geschäftsführer eingeräumt worden war oder ob den Kommanditisten aufgrund einer Gesellschafterstellung innerhalb der Komplementär-GmbH der XYZ GmbH & Co. KG eine die abhängige Beschäftigung ausschließende Rechtsmacht zukam.

BSG, Urteil vom 08.07.2020 (B 12 R 6/19)

Eine solche die abhängige Beschäftigung ausschließende Rechtsmacht könnte sich hier ergeben aus einer Weisungsbefugnis der Kommanditisten gegenüber dem Geschäftsführer der Komplementär-GmbH, aus einer Mehrheitsbeteiligung an deren Stammkapital oder im Falle einer hälftigen Beteiligung aus einer umfassenden Sperrminorität in deren Gesellschafterversammlung.

Allen Varianten ist gemeinsam, dass der Geschäftsführer der ABC GmbH aufgrund seiner Stellung als Kommanditist der XYZ GmbH & Co. KG die Rechtsmacht hätte, die gewöhnliche Geschäftsführung der Muttergesellschaft und damit auch deren Stimmabgabe in der Gesellschafterversammlung eben jener GmbH maßgeblich beeinflussen zu können, die von ihm geführt wird.

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