Laut Urteil des BFH vom 16.03.2022 sind Aufwendungen für bürgerliche Kleidung nur dann als Betriebsausgaben i.S.d. § 4 Abs. 4 EStG zu berücksichtigen, wenn es sich um typische Berufskleidung (bzw. Arbeitskleidung) nach § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 6 EStG handelt, die nicht auch zu privaten Anlässen getragen werden kann. Anderenfalls sind die Aufwendungen als unverzichtbare Aufwendungen der Lebensführung nach § 12 Nr. 1 S. 2 EStG grundsätzlich nicht abziehbar.

Aufwendungen für Berufskleidung als Betriebsausgaben

Anlaß des BFH-Urteils vom 16.03.2022 (Az. VIII R 33/18) war ein Rechtsstreit selbständiger Trauerredner und Trauerbegleiter, die in allen Streitjahren im Rahmen ihrer Einnahmen-Überschußrechnungen Aufwendungen für die Anschaffung, Änderung, Reparatur und Reinigung von Kleidung (u.a. Anzüge, Hemden, Röcke, Kleider, Mäntel, Blusen, Pullover, Hosen, Jacken, Krawatten, Schals, Schuhe) als Betriebsausgaben geltend machten. Im Anschluss an eine Außenprüfung gelangte das Finanzamt zu der Auffassung, dass diese Aufwendungen nicht als Betriebsausgaben abziehbar seien. Es änderte die Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre entsprechend ab. Den Einspruch gegen die geänderten Einkommensteuerbescheide wies das Finanzamt als unbegründet zurück. Die Klage gegen die Einspruchsentscheidung blieb ebenfalls erfolglos.

BFH-Urteil zu Berufskleidung bzw. Arbeitskleidung

In den Entscheidungsgründen zu dem Urteil vom 16.03.2022 (Az. VIII R 33/18) stellte der BFH zunächst fest, dass Aufwendungen für bürgerliche Kleidung zu den unverzichtbaren Aufwendungen der privaten Lebensführung (§ 12 Nr. 1 S. 2 EStG) gehören und grundsätzlich nicht als Betriebsausgaben gemäß § 4 Abs. 4 EStG abzugsfähig sind. Ausnahmsweise sind Aufwendungen für typische Berufskleidung und Arbeitskleidung zwar als Betriebsausgaben abziehbar; im Streitfall handelt es sich aber um Aufwendungen für normale bürgerliche Kleidung.

Aufwendungen sind als Betriebsausgaben gemäß § 4 Abs. 4 EStG abziehbar, wenn sie durch die Einkünfteerzielung veranlasst sind. Eine solche Veranlassung ist gegeben, wenn die Aufwendungen mit der Einkünfteerzielung objektiv zusammenhängen und ihr subjektiv zu dienen bestimmt sind; d.h. wenn sie mit dieser in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Nach dem Beschluss des Großen Senats vom 21.09.2009 (GrS 1/06 unter C.III.1.a, 2.c, 3., 4.a) fehlt es an einer solchen Veranlassung, wenn es sich um unverzichtbare Aufwendungen für die (private) Lebensführung handelt, die nach Maßgabe des subjektiven Nettoprinzips durch die Vorschriften zur Berücksichtigung des steuerlichen Existenzminimums (§ 32a Abs. 1 Nr. 1, § 32 Abs. 6 EStG) pauschal abgegolten oder als Sonderausgaben (insbesondere gemäß § 10 EStG) oder außergewöhnliche Belastungen (§§ 33 ff. EStG) abziehbar sind. Eine Aufteilung der Aufwendungen in abziehbare Werbungskosten oder Betriebsausgaben einerseits und nicht abziehbare Aufwendungen für die private Lebensführung andererseits scheidet aus.

BFH, Urteil vom 16.03.2022 (Az. VIII R 33/18)

Aufwendungen für typische Berufskleidung (bzw. Arbeitskleidung) sind demgegenüber gem. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 6 EStG als Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben abziehbar. Es läuft also regelmäßig auf eine Abgrenzung hinaus, ob es sich bei den Kleidungsstücken um typische Berufskleidung bzw. Arbeitskleidung oder “normale bürgerliche Kleidung” handelt.

Welche Art von Kleidungsstücken zur “typischen Berufskleidung” i.S.d. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 6 EStG gehören, ist im Gesetz nicht näher definiert.

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH umfasst “typische Berufskleidung” nur solche Kleidungsstücke, die nach ihrer Beschaffenheit objektiv nahezu ausschließlich für die berufliche Nutzung bestimmt und geeignet und wegen der Eigenart des Berufs nötig sind. Ferner solche Kleidungsstücke, bei denen die berufliche Verwendungsbestimmung bereits aus ihrer Beschaffenheit entweder durch ihre Unterscheidungsfunktion (z.B. Uniformen oder durch dauerhaft angebrachte Firmenembleme) oder durch ihre Schutzfunktion (Schutzkleidung, Schutzanzüge, Arbeitsschuhe) folgt.

Die Qualifizierung eines Kleidungsstücks als typische Berufskleidung scheidet also immer dann aus, wenn die Benutzung objektiv als normale bürgerliche Kleidung im Rahmen des Möglichen und Üblichen liegt.

BFH, Urteil vom 16.03.2022 (Az. VIII R 33/18)

Ältere Entscheidungen des BFH zur bürgerlichen Kleidung überholt

Soweit der BFH in älteren Entscheidungen auch bürgerliche Kleidung, die nach ihrer Beschaffenheit nicht nur nahezu ausschließlich beruflich, sondern vor allem auch privat genutzt werden konnte, als typische Berufskleidung angesehen hat, sieht der Senat diese Rechtsprechung als überholt an.

Diesbezüglich verweist der BFH auf folgende Urteile:

  • BFH-Urteil vom 30.09.1970 (I R 33/69) – schwarzer Anzug eines Leichenbestatters;
  • BFH-Urteil vom 09.03.1979 (VI R 171/77) – schwarzer Anzug und schwarze Hosen eines Oberkellners;
  • BFH-Urteil vom 10.11.1989 (VI R 159/86) – schwarzer Anzug eines katholischen Geistlichen:
  • BFH-Urteil vom 04.12.1987 (VI R 20/85) – schwarze Hose eines Kellners.

Aufwendungen für bürgerliche Kleidung führten auch dann nicht zu abziebaren Werbungskosten oder Betriebsausgaben, wenn diese Kleidung ausschließlich bei der Arbeit oder zur Ausübung des Berufs getragen wird bzw. bei diesem Anlaß beschädigt, verunreinigt oder verschlissen wird.

Aufwendungen für die Kleidung der Mitarbeiterin eventuell Betriebsausgaben

Soweit sich die Aufwendungen auf Kleidung der Mitarbeiterin handelt, kommt ein Betriebsausgabenabzug als Sachlohn in Betracht gemäß § 4 Abs. 4 EStG. Voraussetzung ist allerdings, dass im Arbeitsvertrag eine klare und eindeutige Vereinbarung über die Überlassung der Kleidung als Sachlohn getroffen wurde. Der BFH hat die Sache an das FG zurückverwiesen, das im zweiten Rechtsgang die erforderlichen Feststellungen noch treffen muss.

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