Das Bundessozialgericht (BSG) bleibt seiner Rechtsprechung auch bei der Beurteilung der Sozialversicherungspflicht der Rechtsanwälte einer Rechtsanwalts-GmbH treu. Ein Gesellschafter-Geschäftsführer in einer Rechtsanwalts-GmbH kann grundsätzlich sozialversicherungspflichtig sein, auch wenn er als Rechtsanwalt ein unabhängiges Organ der Rechtspflege ist. So hat es das Bundessozialgericht mit Urteil vom 28.06.2022 entschieden, ohne von der bisherigen Rechtsprechung seit 2012 abzuweichen. Auch bei einer Rechtsanwalts-GmbH mit mehreren Rechtsanwälten als geschäftsführenden Gesellschaftern sind die gleichen Grundsätze anzuwenden, wie sie bei jeder anderen GmbH gelten.

Grundsätze zur Sozialversicherungspflicht der Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH

In den Jahren 2012 und 2015 hat das Bundessozialgericht (BSG) neue und klare Grundsätze zur Sozialversicherungspflicht der Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH aufgestellt. Von der neuen Rechtsprechung waren vor allem Gesellschaften mit mehr als 2 Gesellschaftern und sog. Familien-GmbHs betroffen.

Seit der Änderung der Rechtsprechung des BSG in den Jahren 2012 und 2015 kommt es einzig und allein auf die Rechtsmacht der mitarbeitenden Gesellschafter bzw. der Gesellschafter-Geschäftsführer an, wie sie sich nach dem Gesellschaftsvertrag ergibt. Ausschlaggebend ist, ob sie auf Basis der Beteiligung am Stammkapital der GmbH oder aufgrund anderer Sonderrechte im Gesellschaftsvertrag maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschafterversammlung nehmen können.

Im wesentlichen kommt es darauf an, ob der betreffende Gesellschafter-Geschäftsführer die Rechtsmacht besitzt, ungewollte Entscheidungen der Gesellschafterversammlung zumindest zu verhindern (Sperrminorität).

Abhängige Beschäftigung der Rechtsanwälte in einer Rechtsanwalts-GmbH grundsätzlich möglich

Diese Grundsätze sind nach dem Urteil des BSG vom 28.06.2022 (B 12 R 4/20 R) auch auf einen Rechtsanwalt anzuwenden, wenn dieser als mitarbeitender oder geschäftsführender Gesellschafter für eine Rechtsanwalts-GmbH tätig ist. Es ist grundsätzlich möglich, dass Rechtsanwälte einer Rechtsanwalts-GmbH aufgrund einer abhängigen Beschäftigung der Sozialversicherungspflicht unterliegen.

Im Streitfall ging es um fünf Rechtsanwälte, die als Gesellschafter-Geschäftsführer der beigeladenen Rechtsanwaltsgesellschaft gegen die Statusentscheidung der Deutschen Rentenversicherung geklagt hatten. Die Rechtsanwälte hielten zunächst jeweils 20%, nach Ausscheiden eines Rechtsanwalts dann 25% der Gesellschaftsanteile. Hinsichtlich der Beschlüsse der Gesellschafterversammlung hatten sie im Gesellschaftsvertrag eine einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen vereinbart. Somit hatte keiner der beteiligten Gesellschafter eine umfassende Sperrminorität. In den jeweiligen Geschäftsführerverträgen war neben dem Grundgehalt und einem 13. Monatsgehalt auch eine gewinnabhängige Vergütung in Form einer Tantieme vorgesehen. Ferner haben sie gem. Geschäftsführervertrag einen Anspruch auf Weiterzahlung der Vergütung bei Arbeitsunfähigkeit sowie auf einen Jahresurlaub von 30 Arbeitstagen.

Urteil des BSG zur Sozialversicherungspflicht der Rechtsanwälte einer Rechtsanwalts-GmbH

Laut Urteil des BSG vom 28.06.2022 (B 12 R 4/20 R) gelten die allgemeinen Maßstäbe zur Feststellung der Sozialversicherungspflicht auch für die Tätigkeit von Rechtsanwälten als Gesellschafter-Geschäftsführer einer Rechtsanwaltsgesellschaft.

Die Regelungen der BRAO gewährleisten lediglich die fachliche Unabhängigkeit der Rechtsanwälte in ihrer anwaltlichen Tätigkeit. Aufgrund ihrer Position als Geschäftsführer können sie dennoch in funktionsgerechter, dienender Teilhabe am Arbeitsprozess in das Unternehmen eingegliedert sein und im Rahmen der Unternehmenspolitik Weisungen der Gesellschafterversammlung unterliegen. Die ausdrückliche Regelung über die Gewährleistung der Unabhängigkeit der Rechtsanwälte und das Verbot von Einflussnahmen durch Weisungen nach § 59f Abs. 4 BRAO schließen dies nicht kategorisch aus. Bereits der Gesetzeswortlaut bezieht die Unabhängigkeit der Rechtsanwälte auf die Ausübung ihres Berufs als Rechtsanwalt, nicht aber auf ihre Stellung als Geschäftsführer der GmbH.

In einer Rechtsanwaltsgesellschaft kann es ebenso wie bei anderen beruflichen Zusammenschlüssen – etwa in einer Partnerschaft oder BGB-Gesellschaft – durchaus vorkommen, dass die Berufskollegen für die Berufsausübung Vorgaben machen. Die gesetzliche Regelung in § 59f Abs. 4 BRAO soll wegen des Weisungsrechts der Gesellschafter gegenüber den Geschäftsführern gem. § 37 GmbHG lediglich klarstellen, dass auch die in der Anwaltsgesellschaft als Geschäftsführer oder in vergleichbarer Funktion tätigen Rechtsanwälte berufliche Unabhängigkeit genießen. Diese Regelung versetzt den einzelnen Rechtsanwalt jedoch nicht in die Lage, über das unternehmerische Geschick der GmbH wie ein Unternehmensinhaber zu entscheiden.

Urteil des BSG vom 28.06.2022 (B 12 R 4/20 R)

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