Ein Unternehmen in der Rechtsform der Limited mit Verwaltungssitz in Deutschland ist nach einem Urteil des OLG München vom 05.08.2021 nicht mehr parteifähig, nachdem die Übergangsfrist für den Brexit zum 31.12.2020 abgelaufen ist. Als Berufungsinstanz hatte das OLG München über den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung zu entscheiden, der von einer Limited am 22.03.2021 gestellt wurde, nachdem die Übergangsfrist für den Brexit zum 31.12.2020 abgelaufen war. Nach eigenen Angaben unterhielt die Limited ihren Sitz in Großbritannien, konnte das Gericht jedoch hiervon nicht überzeugen. Unter Anwendung der Sitztheorie ging das OLG München davon aus, dass die geschäftlichen Entscheidungen tatsächlich in Deutschland getroffen wurden. Diese Entscheidung des OLG München ist enorm wichtig für alle britischen Unternehmen in der Rechtsform der Limited, die ihren Sitz nach wie vor in Deutschland haben.

Parteifähigkeit der Limited mit Verwaltungssitz in Deutschland

In dem Rechtsstreit vor dem OLG München ging es eigentlich um den Antrag einer Limited auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Basis eines kartellrechtlichen Unterlassungsanspruchs wegen einer Preisbindung für Kosmetikprodukte. Das LG München I hatte den Antrag durch Urteil vom 23.04.2021 (37 O 3787/21) zurückgewiesen. Die Limited griff das Urteil mit Berufung an und verfolgte den Verfügungsantrag weiter. Das OLG München wies die Berufung mit Urteil vom 05.08.2021 mit der Begründung zurück, dass die Antragstellerin als Limited mit Verwaltungssitz in Deutschland nach Ablauf der Übergangsfrist für den Brexit seit dem 01.01.2021 in Deutschland nicht mehr parteifähig ist.

Die Berufung der Antragstellerin ist unbegründet. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist unzulässig, insbesondere ist die Antragstellerin mangels Rechtsfähigkeit nicht parteifähig im Sinne von § 50 Abs. 1 ZPO.

OLG München, Urteil vom 05.08.2021 (37 O 3787/21)

Parteifähigkeit gem. § 56 ZPO

Die Voraussetzungen der Parteifähigkeit sind gem. § 56 ZPO in jeder Lage des Verfahrens und in jedem Rechtszug von Amts wegen zu prüfen. In einem Verfahren über den Erlaß einer einstweiligen Verfügung trägt die Antragstellerin die objektive Beweislast für ihre Parteifähigkeit (vgl. BGH NJW 1996, 1059). Es gilt das Freibeweisverfahren (BGH NJW 2000, 290).

Die Antragstellerin hatte ihre Rechtsfähigkeit bereits mit Vollzug des Austritts des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union gemäß Art. 50 EUV mit Ablauf der Übergangsfrist am 31.12.2020 (sog. Brexit) verloren, weil davon auszugehen ist, dass sich ihr tatsächlicher Verwaltungssitz in Deutschland befindet.

OLG München, Urteil vom 05.08.2021 (37 O 3787/21)

Milde Sitztheorie und tatsächlicher Verwaltungssitz

Gegenüber Drittstaaten findet für Gesellschaften und juristische Personen aufgrund Gewohnheitsrecht die sogenannte Sitztheorie Anwendung. Hiernach ist auf eine Gesellschaft das Recht des Staates anzuwenden, in dem sich der tatsächliche Verwaltungssitz befindet. Das ist nach der sog. Sandrock’schen-Formel der Ort, an dem die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden (vgl. BGHZ 97, 269, 272).

In dem Rechtsstreit war die Antragstellerin nicht in der Lage, ihren tatsächlichen Verwaltungssitz in Großbritannien zu belegen. Nach Ansicht des OLG München war es viel wahrscheinlicher, dass sich der tatsächliche Verwaltungssitz in Deutschland befindet.

Unergiebig sind insoweit auch die Einlassungen der Antragstellerin, dass es ein Büro in den USA und im Vereinigten Königreich gebe, die Produkte im Wege des Drop Shipping vertrieben würden, die Gesellschaft komplett in England steuerlich veranlagt werde. Für die Frage des tatsächlichen Verwaltungssitzes ist allein die zitierte Sandrock‘sche-Formel maßgeblich, die auf die Umsetzung von Leitungsentscheidungen im maßgeblichen Staatsgebiet abstellt. Ein Rückgriff auf britisches oder deutsches Steuerrecht oder deutsches Gewerberecht verbietet sich.

Im Ergebnis ist daher auf die Antragstellerin nach der Sitztheorie deutsches Recht anzuwenden, insbesondere deutsches Gesellschaftsrecht, wo der sogenannte numerus clausus der Gesellschaftsformen gilt. Da das deutsche Gesellschaftsrecht die Gesellschaftsform der britischen Limited nicht kennt, ist sie in Deutschland als solche nicht rechtsfähig.

Nach der sogenannten milden Form der Sitztheorie ist sie allerdings nicht als rechtliches Nullum zu behandeln, sondern je nach tatsächlicher Ausgestaltung als Gesellschaft bürgerlichen Rechts, OHG oder bei nur einem Gesellschafter als einzelkaufmännisches Unternehmen (BGH NJW 2009, 289 Rn. 23 – Trabrennbahn) mit der Konsequenz der vollen persönlichen Haftung.

OLG München, Urteil vom 05.08.2021 (37 O 3787/21)

Handels- und Kooperationsabkommen zwischen EU und Vereinigtem Königreich

Daran ändert laut OLG München auch das Handels- und Kooperationsabkommen zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich vom 24.12.2020 (ABl. L 444/2020 vom 31.12.2020) nichts. Darin wird zwar vereinbart, dass auf britische Gesellschaften weiterhin die Gründungstheorie anzuwenden sein soll, mit der Konsequenz der fortbestehenden Rechts- und Parteifähigkeit trotz tatsächlichem Verwaltungssitz auf dem Gebiet der Europäischen Union wie unter der Geltung der Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 49, 54 AEUV. Es regelt zwar den Zugang britischer Unternehmen zum Binnenmarkt, gewährt aber keine Rechtsposition, die der Niederlassungsfreiheit in der Ausprägung der EuGH-Rechtsprechung zur freien Wahl von Sitz und anwendbarem Gesellschaftsrecht gleichkommt.

Limited mit Verwaltungssitz in Deutschland nicht parteifähig

Im Ergebnis verneint das OLG München in seiner Entscheidung über den Verfügungsantrag der Limited mit Verwaltungssitz in Deutschland, dass dieser von einer nicht (mehr) existierenden juristischen Person erhoben worden wurde. Mangels Rechts- und Parteifähigkeit gem. § 50 Abs. 1 ZPO war der Antrag von Anfang an unzulässig.

Unternehmen ohne Haftungsbeschränkung

Nach der sogenannten milden Form der Sitztheorie ist die Limited mit Verwaltungssitz in Deutschland nicht als rechtliches Nullum zu behandeln, sondern je nach tatsächlicher Ausgestaltung als Gesellschaft bürgerlichen Rechts, OHG oder bei nur einem Gesellschafter als einzelkaufmännisches Unternehmen (BGH NJW 2009, 289 Rn. 23 – Trabrennbahn). Dies hat zur Konsequenz, dass die Haftungsbeschränkung der Limited ins Leere geht mit der Konsequenz der vollen persönlichen Haftung.

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