Nach der Rechtsprechung des BGH gehört das Recht des ausscheidenden Gesellschafters auf eine Abfindung für den Verlust des Geschäftsanteils zu den elementaren Gesellschafterrechten. Der Grundsatz der Vertragsfreiheit räumt den Gesellschaftern das Recht ein, die Höhe der Abfindung und die Auszahlungsmodalitäten im Rahmen des Gesellschaftsvertrages zu regeln. Allerdings ist eine Beschränkung der Abfindung eines ausscheidenden Gesellschaft jedenfalls dann gem. § 138 BGB unwirksam, wenn diese zur Folge hat, daß der Abfindungsanspruch in der Höhe erheblich hinter dem Wert des Anteils zurückbleibt.

Abfindung grundsätzlich nach Verkehrswerten

Die Abfindung eines ausscheidenden Gesellschafters ist grundsätzlich nach dem vollen wirtschaftli­chen Wert (Verkehrswert) des Geschäftsanteiles zu be­messen, soweit der Gesellschaftsvertrag keine davon abweichende, wirksame Abfindungsklau­sel enthält (BGH, Urteil vom 16.12.1991, II 2R 58/91).

Die Ermittlung des Unternehmens­wertes ist grundsätzlich anhand der Ertrags­wertmethode vorzunehmen.

Wirksamkeit einer Abfindungsklausel zur Beschränkung der Abfindung

Schon in dem Urteil vom 29.05.1978 (II ZR 52/7) weist der BGH ausdrücklich darauf hin, dass es den Gesellschaftern im Sinne der Vertragsfreiheit (Satzungsautonomie) erlaubt ist, die Abfindung eines ausscheidenden Gesellschafters abweichend von diesem Grundsatz zu regeln.

Der Zweck besteht dar­in, den Bestandsschutz der Gesellschaft durch Einschränkung des Kapitalabflusses zu gewährleisten und/oder die Berech­nung der Höhe des Abfindungsanspruches zu vereinfachen.

BGH, Urteil vom 16.12.1991, II 2R 58/91

Die Auslegung der gesellschaftsvertraglichen Abfindungsklausel zur Beschränkung der Abfindung eines ausscheidenden Gesellschafters unterliegt der unbeschränkten Nachprüfung durch die Gerichte. Die Vorenthaltung eines Firmenwerts und der stillen Reserven bei der Berechnung des wirtschaftlichen Werts des Geschäftsanteils sind grundsätzlich zulässig.

Vereinbarungen, die von der Vorschrift des § 738 Abs. 1 Satz 2 BGB abweichen – insbesondere Klauseln, die dem ausscheidenden Gesellschafter den Firmenwert und die stillen Reserven vorenthalten -, sind grundsätzlich als zulässig anzusehen.

BGH, Urteil vom 29.05.1978 (II ZR 52/7)

Eine Abfindungsklausel im Sinne einer Beschränkung des Abfindungsan­spruchs unterliegt allerdings den Grenzen der gesetzlichen Regelung in § 138 BGB.

Eine Abfindungsklausel ist dann als nichtig anzusehen, wenn die mit ihr verbunde­ne Einschränkung des Abflusses von Gesellschaftskapital vollkommen außer Verhältnis zu der Beschränkung steht, die erforderlich ist, um im Interesse der ver­bleibenden Gesellschafter den Fortbestand der Gesell­schaft und die Fortführung des Unternehmens zu sichern.

BGH, Urteil vom 16.12.1991, II ZR 58/91

Unwirksam ist die Abfindungsklausel gem. § 138 BGB nur, wenn sie von Anfang als grob unbillig anzusehen war.

Die Unwirksamkeit der Abfindungsklausel gem. § 138 BGB greift jedoch nur in dem Falle ein, daß die entsprechende Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag bereits bei ihrer Entstehung grob unbillig ist.

BGH, Urteil vom 16.12.1991, II ZR 58/91

Anpassung einer unwirksam gewordenen Abfindungsklausel

Ist die grobe Unbilligkeit der Abfindungsklausel erst durch eine Änderung des Gesellschaftsvertrages oder im Laufe der Zeit eingetreten, tritt an ihre Stelle eine angemessene Abfindung.

Eine ursprünglich wirksame Abfindungsklausel wird nicht da­durch nichtig, daß sich die Höhe der Abfindung und der tatsäch­liche Anteilswert im Laufe der Jahre immer weiter voneinan­der entfernen. Die vertragliche Abfindungsklausel bleibt vielmehr als solche wirksam. Im Ergebnis erhält der ausscheidende Gesellschafter eine “angemessene Abfindung”, die nicht dem Verkehrswert entsprechen muss. Bei der Bemessung einer angemessenen Abfindung sind die von den Beteiligten verfolgten Zwecke und die zwischenzeitlich eingetretene Änderung der Verhältnisse zu berücksichtigen. Eine besondere Rolle spielt eine zwischenzeitliche Änderung der Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft.

BGH, Urteil vom 20.09.1993, II ZR 104/92

In einem solchen Fall geht es darum, einen Ausgleich der beiderseiti­gen Interessen im Hinblick auf die Änderung der tatsächli­chen Verhältnisse zu finden. Was hätten die Parteien vereinbart, wenn sie die wirtschaftliche Entwicklung vorhergesehen hätten? Notfalls ist der Vertragsinhalt unter Berücksichtigung dieser Entwicklung zu ergänzen.

Soweit irgend möglich, ist eine Lücke im Gesellschaftsvertrag im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung in der Weise auszufüllen, daß die Grundzüge des konkreten Vertrages “zu Ende gedacht” wer­den. Dabei sind gewiß in erster Linie Anhaltspunkte heranzu­ziehen, die sich dem übrigen Vertragsinhalt und den sonsti­gen im Zeitpunkt des Vertragsschlusses gegebenen Umständen entnehmen und die auf den tatsächlichen Willen der Parteien schließen lassen. Die Ermittlung des maßgebenden hypothetischen Parteiwillens ist hierauf aber nicht be­schränkt; dieser ist vielmehr unter Einbeziehung einer ob­jektiven Abwägung der beiderseitigen Interessen zu ermitteln.

BGH, Urteil vom 20.09.1993, II ZR 104/92

Abfindungsklausel unwirksam bei grobem Mißverhältnis zum Verkehrswert

Führt eine im Gesell­schaftsvertrag enthaltene Abfindungsklausel zu einem groben Mißverhältnis zwischen der vertraglichen und der nach dem Verkehrswert zu bemessenden Abfin­dung, wird das Austrittsrecht des Gesell­schafters in unzulässiger Weise eingeschränkt.

An die Stelle der dadurch unwirksam gewordenen gesellschaftsvertraglichen Abfindungsklausel tritt ein Anspruch auf auf Gewährung einer angemessenen Abfindung.

Unwirksamkeit einer Buchwertklausel

Mit Urteil vom 29.05.1978 (II ZR 52/7) hat der BGH über die Abfindung einer Kommanditistin entschieden, die aufgrund einer im Gesellschaftsvertrag zugelas­senen, ohne wichtigen Grund erfolgten Kündigung der Komplementäre aus der Kommanditgesellschaft (KG) ausscheiden musste. Mit ihrer Klage verlangte die Kommanditistin von der KG und den beiden Komplementären neben ihrem gesellschaftsvertraglich festgelegten festen Kapital­anteil die Zahlung eines “angemessenen” Betrages, den sie mit wenigstens 564.000 DM bezifferte.

In § 16 des Gesellschaftsvertrages war vereinbart, dass “für die Auseinandersetzung mit ausscheidenden Gesellschaftern in jedem Falle die nach den Grundsätzen des § 6 aufzustellende Bilanz zum Ausscheidungsstichtag maßgebend ist. Das Guthaben des Ausscheidenden entspricht seinem in dieser Bilanz ausgewiesenen Kapitalanteil.”

Landgericht und Oberlandesgericht haben den Zahlungsantrag der Klägerin abgewiesen, soweit dieser über den Buchwert des Kapitalanteils hinaus eine “angemessene Abfindung” forderte.

Grundsatz der Vertragsfreiheit und seine Schranken

Vorab weist der BGH in den Entscheidungsgründen auf den Grundsatz der Vertragsfreiheit im Gesellschaftsrecht hin:

Vereinbarungen, die von der Vorschrift des § 738 Abs. 1 Satz 2 BGB abweichen – insbesondere Klauseln, die dem ausscheidenden Gesellschafter den Firmenwert und die stillen Reserven vorenthalten -, sind grundsätzlich als zulässig anzusehen.

BGH, Urteil vom 29.05.1978 (II ZR 52/7)

Unwirksamkeit einer Buchwertklausel

Allerdings gilt der Grundsatz der Vertragsfreiheit nicht uneingeschränkt. Vielmehr ergeben sich Beschränkungen aus Vorschriften des öffentlichen Rechts, aber auch aus zwingenden Vorschriften des Zivilrechts, insbesondere aus § 134 BGB und § 138 BGB. Hiernach ist eine vertragliche Regelung nichtig, soweit diese gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt.

In diesem Sinne führt der BGH in dem Urteil vom 29.05.1978 (II ZR 52/7) weiter aus:

Dies kann jedoch nicht ohne weiteres für den Fall gelten, daß ein Gesellschafter ohne wichtigen Grund – nach freiem Ermessen – der Gesellschaftermehr­heit oder gar eines einzelnen Gesellschafters (durch “Kündigung”) ausgeschlossen wird. Insoweit sind an gesellschaftsvertragliche Abfindungsklauseln strengere Anforderungen zu stellen. Ein rechtlich vertretbarer Interessenausgleich zwischen dem Ausscheidenden und den in der Gesellschaft Verbleibenden kann unter solchen Umständen im Regelfalle nur dann als gegeben angesehen werden, wenn dem ausscheidenden Gesellschafter eine “angemessene” Abfindung zugebilligt wird.

BGH, Urteil vom 29.05.1978 (II ZR 52/7)

Liegen keine besonderen Umstände vor, ist eine Abfindungs­klausel grundsätzlich nur dann als angemessen anzusehen, wenn die Abfindungsregelung so gestaltet ist, daß sie im Kern der gesetzlichen Regelung in § 738 BGB entspricht und im wesentlichen zur Abgeltung des vollen Wertes des Gesellschaftsanteils führt.

In den Regelfällen ist deshalb eine Beschränkung des Abfindungsanspruchs, die zur Folge hat, daß dieser erheblich hinter dem Wert des Anteils zurückbleibt, grundsätzlich als rechtlich unzulässig anzu­sehen (§138 BGB). An die Stelle der – nichtigen – vertraglichen Abfindungsregelung treten die gesetzlichen Vorschriften; für eine ergänzende Vertragsauslegung ist bei dem vor­liegenden Gesellschaftsvertrag und den vorstehend dar­gelegten Umständen kein Raum.

BGH, Urteil vom 29.05.1978 (II ZR 52/7)

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