Nunmehr hat das Bundessozialgericht auch die Frage der Sozialversicherungspflicht geschäftsführender Gesellschafter in ihrer Stellung als Treuhänder für Dritte entschieden. Die Beurteilung der Sozialversicherungspflicht geschäfsführender Gesellschafter beurteilt sich allein nach dem Umfang der Kapitalbeteiligung und dem Ausmaß des sich daraus ergebenden Einflußnahme auf die Gesellschaft.

Sozialversicherungspflicht geschäftsführender Gesellschafter einer GmbH

Das Bundessozialgericht (BSG) hat in den Jahren 2012 und 2015 neue und klare Grundsätze zur Sozialversicherungspflicht der Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH geschaffen. Seitdem gehört die Prüfung der Sozialversicherungspflicht geschäftsführender Gesellschafter zu den Schwerpunkten der regelmäßigen Betriebsprüfung bei der GmbH und UG haftungsbeschränkt durch die Deutsche Rentenversicherung. Mit den präzisen Regeln zur Beurteilung der Sozialversicherungspflicht geschäftsführender und/oder mitarbeitender Gesellschafter eröffneten sich für fachkundige Rechtsanwälte rechtssichere Gestaltungsmöglichkeiten. Nunmehr hat das BSG auch die offene Frage der Sozialversicherungspflicht geschäftsführender Gesellschafter in ihrer Stellung als Treuhänder für Dritte entschieden.

Sozialversicherungspflicht geschäftsführender Gesellschafter in ihrer Stellung als Treuhänder für Dritte

Grundlage des Urteils des BSG vom 12.05.2020 war die Klage eines geschäftsführenden Gesellschafters gegen den Bescheid der Deutschen Rentenversicherung im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens, die eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung ablehnte.

Sachverhalt zum Urteil des BSG vom 12.05.2020

Laut Sachverhalt gründete der Kläger die GmbH, an deren Stammkapital (25.000 Euro) er gem. Gesellschafterliste mit einer Quote in Höhe von 90 % beteiligt war. Die Besonderheit bestand darin, dass er am Tage der Gründung der GmbH mit zwei weiteren Personen in einem notariell beurkundeten Treuhandvertrag vereinbarte, dass er die Geschäftsanteile im Nennbetrag von 15.000 Euro (60 %) für K und 5.000 Euro (20 %) für B als Treuhänder verwalten soll. Ferner wurde vereinbart, dass die Treugeber K und B eine Kaufoption betreffend die treuhänderisch verwalteten Geschäftsanteile erhalten.

Entscheidungsgründe zum Urteil des BSG vom 12.05.2020

In dem Urteil vom 12.05.2020 stellt das BSG zunächst die Grundlagen der Sozialversicherungspflicht im allgemeinen dar:

Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung der Versicherungspflicht. Beschäftigung ist gemäß § 7 Abs. 1 SGB IV die nichtselbstständige Arbeit. Anhaltspunkte hierfür sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Eine abhängige Beschäftigung setzt voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Die hierfür vom Senat entwickelten Abgrenzungsmaßstäbe (vgl zuletzt BSG, Urteil vom 4.6.2019, B 12 R 11/18 R) gelten grundsätzlich auch für Geschäftsführer einer GmbH (BSG, Urteil vom 14.3.2018, B 12 KR 13/17 R). Ob ein Beschäftigungsverhältnis vorliegt, richtet sich bei dem Geschäftsführer einer GmbH aber in erster Linie danach, ob er nach der ihm zukommenden, sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebenden Rechtsmacht ihm nicht genehme Weisungen verhindern oder Beschlüsse beeinflussen kann, die sein Anstellungsverhältnis betreffen (vgl zuletzt BSG, Urteil vom 19.9.2019, B 12 R 25/18).

BSG, Urteil vom 12.05.2020, B 12 R 11/19
Beurteilung der Sozialversicherungspflicht geschäftsführender Gesellschafter

Sodann folgt eine Wiederholung der Grundsätze zur Beurteilung der Sozialversicherungspflicht geschäftsführender Gesellschafter:

Umfang der Kapitalbeteiligung und Ausmaß des sich daraus ergebenden Einflusses auf die Gesellschaft sind wesentliche Merkmale bei der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit. Ein Gesellschafter-Geschäftsführer ist nicht per se kraft seiner Kapitalbeteiligung selbständig tätig. Vielmehr muss er über seine Gesellschafterstellung hinaus die Rechtsmacht besitzen, durch Einflussnahme auf die Gesellschafterversammlung die Geschicke der Gesellschaft bestimmen zu können. Eine solche Rechtsmacht ist bei einem Gesellschafter gegeben, der mehr als 50 % der Anteile am Stammkapital hält. Ein Geschäftsführer, der nicht über diese Kapitalbeteiligung verfügt, ist grundsätzlich abhängig beschäftigt. Er ist ausnahmsweise nur dann als selbständiger Unternehmer anzusehen, wenn er exakt 50 % der Anteile am Stammkapital hält oder ihm eine gesellschaftsrechtliche, umfassende (“echte” oder “qualifizierte”), die gesamte Unternehmenstätigkeit erfassende Sperrminorität eingeräumt ist (BSG, Urteil vom 19.9.2019, B 12 R 25/18 R; BSG, Urteil vom 14.3.2018, B 12 KR 13/17 R).

BSG, Urteil vom 12.05.2020, B 12 R 11/19
Gesellschafter ist, wer in die Gesellschafterliste eingetragen ist

Dann stellt das BSG zunächst fest, dass der Kläger laut Gesellschafterliste der GmbH über einen Anteil am Stammkapital in Höhe von 90 % verfügt. Diese Anteilsmehrheit verleiht ihm eine im Gesellschaftsrecht wurzelnde Rechtsmacht, die ihn in die Lage versetzt, eine Einflussnahme auf seine Tätigkeit, insbesondere durch ihm unangenehme Weisungen, jederzeit zu verhindern (vgl BSG, Urteil vom 10.12.2019, B 12 KR 9/18 R). Somit war für ihn gewährleistet, dass er seine Geschäftsführertätigkeit und damit die Geschicke des Unternehmens nach seinem Willen bestimmen konnte.

Beurteilung der Sozialversicherungspflicht geschäftsführender Gesellschafter unter Berücksichtigung eines Treuhandverhältnisses

Dieser beherrschende Einfluss des Klägers wurde ihm auch nicht durch den Treuhandvertrag mit den Treugebern K und B genommen. Wegen seiner rein schuldrechtlichen Wirkung ist der Treuhandvertrag für die sozialversicherungsrechtliche Statusbeurteilung ohne Bedeutung. Etwas anderes folgt auch nicht aus der aufschiebend bedingten Abtretung von Geschäftsanteilen an die Treugeber und deren Bevollmächtigung hierzu.

Laut BSG ist ein Treuhandvertrag dadurch gekennzeichnet, dass der Treugeber dem Treuhänder Vermögensgegenstände überträgt oder belässt oder ihm eine Rechtsmacht einräumt, ihn aber in der Ausübung der sich daraus im Außenverhältnis (des Treuhänders zu Dritten) ergebenden Rechtsmacht im Innenverhältnis (des Treuhänders zum Treugeber) nach Maßgabe der schuldrechtlichen Treuhandvereinbarung beschränkt (BSG, Urteil vom 25.1.2006, B 12 KR 30/04 R).

Außerhalb des Gesellschaftsvertrages bestehende wirtschaftliche Verflechtungen, Stimmbindungsabreden oder Veto-Rechte zwischen einem Gesellschafter-Geschäftsführer und einem Dritten sowie anderen Gesellschaftern und/oder der GmbH sind (bei der Beurteilung der Sozialversicherungspflicht) nicht zu berücksichtigen (BSG, Urteil vom 10.12.2019, B 12 KR 9/18 R).

Ein Treuhandvertrag entfaltet aber keine gesellschaftsrechtliche, sondern eine schuldrechtliche Wirkung zwischen den Vertragsparteien. Alle mit dem Geschäftsanteil verbundenen Rechte und Pflichten stehen dem Gesellschafter der GmbH zu. Die Treugeber sind stets auf die Wahrnehmung dieser Rechte durch den Treuhänder angewiesen. Es liegt in der Hand des Treuhänders, ob er die Weisungen der Treugeber befolgt. Ein weisungswidriges Abstimmungsverhalten in der Gesellschafterversammlung führt grundsätzlich nicht dazu, dass die gefassten Beschlüsse unwirksam oder anfechtbar sind. Vielmehr trifft den Treuhänder ggf. eine Schadensersatzpflicht im Innenverhältnis zum Treugeber (BSG, Urteil vom 10.12.2019, B 12 KR 9/18 R).

BSG, Urteil vom 12.05.2020, B 12 R 11/19
Die Bedeutung des Handelsregisters und der Gesellschafterliste

Ferner stellt das BSG nochmals die Bedeutung des Handelsregisters und der Gesellschafterliste gem. § 40 GmbHG heraus.

Als Inhaber eines Geschäftsanteils gilt nur, wer als solcher in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste (§ 40 GmbHG) eingetragen ist. In die Gesellschafterliste eingetragen werden aber nur die Gesellschafter, während eine mittelbare Einflussnahme auf die Gesellschaft, insbesondere durch Treuhandverhältnisse, wegen des Gebots der Registerklarheit nicht offengelegt werden kann (BSG, Urteil vom 10.12.2019, B 12 KR 9/18 R).

Selbst bei der Übertragung des treuhänderisch gehaltenen Geschäftsanteils gelten die Treugeber oder Dritte erst ab dem Tag der Aufnahme der geänderten Gesellschafterliste (§ 40 GmbHG) in das Handelsregister als Gesellschafter und damit als in der Gesellschafterversammlung stimmberechtigt (§ 16 Abs 1 Satz 1 GmbHG). Bis zu diesem Zeitpunkt steht dem Treuhänder das aus dem Geschäftsanteil resultierende Stimmrecht zu (BSG, Urteil vom 10.12.2019, B 12 KR 9/18 R). Der in die Gesellschafterliste aufgenommene Gesellschafter kann bis zur Eintragung einer Veränderung die Gesellschafterrechte wahrnehmen und haftet für die bis dahin fällig werdenden Gesellschafterpflichten allein. Der (noch) nicht in der Gesellschafterliste Eingetragene, aber materiell Berechtigte, ist demgegenüber rechtlich gehindert, Gesellschafterrechte auszuüben und haftet grundsätzlich nicht für Pflichten aus dem Geschäftsanteil. Er muss sämtliche Rechtshandlungen zwischen Gesellschaft und bisher Legitimierten bis zu seiner Eintragung in die Gesellschafterliste gegen sich gelten lassen.

BSG, Urteil vom 12.05.2020, B 12 R 11/19

Die Entscheidung des BSG fällt eigentlich wie erwartet aus, eröffnet aber nunmehr weitreichende Gestaltungsmöglichkeiten für Gesellschafter und ihre Rechtsberater (Steuerberater ausgeschlossen) hinsichtlich der Sozialversicherungspflicht. Diese Gestaltungsmöglichkeiten werden auf den ersten Blick nicht sofort klar. Mit dem Einsatz eines Treuhandvertrages lässt sich aber die Sozialversicherungspflicht eines geschäftsführenden Gesellschafters nach Bedarf begründen oder beenden, ohne die Anteile an der Kapitalgesellschaft in wirtschaftlicher Hinsicht zu verschieben. Bei Interesse sprechen Sie mich über das Kontaktformular an.

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