Eine GmbH in der Krise birgt auch Haftungsrisiken für Steuerberater, wenn diese den Geschäftsführer ohne grundlegende Kenntnisse im GmbH- und Insolvenzrecht weiterhin wie bisher beraten. Es werden zunehmend Fälle bekannt, in denen Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens versuchen, Ansprüche gegen die Steuerberater bzw. deren Haftpflichtversicherung geltend zu machen, die aus einem Fehlverhalten in der Beratung der GmbH bzw. des Geschäftsführers resultieren sollen. Der nachfolgende Artikel soll daher die Haftungsrisiken für Steuerberater im Umgang mit einer GmbH oder UG haftungsbeschränkt in der Krise aufzeigen.

Inhalt:

  1. Pflichten der Geschäftsführer gem. GmbHG und InsO
  2. Überschuldung der GmbH
  3. Haftung der Geschäftsführer bei Pflichtenverletzung
  4. Haftungsrisiken für Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte

1. Pflichten der Geschäftsführer gem. GmbHG und InsO

In sehr vielen Fällen hat die Krise einer GmbH schon lange vor der endgültigen Zahlungsunfähigkeit begonnen. Auch die rechnerische Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Gesellschaft sind Phasen einer Krise, die eher am Ende stehen als am Anfang. Schon lange davor lassen sich mit rechtlicher Relevanz mehrere unterschiedliche Phasen der Unternehmenskrise unterscheiden, die letztendlich zur Insolvenz einer GmbH geführt haben. Daher überrascht es nicht, dass beim überwiegenden Teil der Insolvenzverfahren in Deutschland eine längere Phase der Insolvenzverschleppung festzustellen ist.

Mit dem Eintritt der (rechnerischen) Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung bleibt dem Geschäftsführer der GmbH allerdings nur noch wenig Zeit, entsprechende Gegenmaßnahmen einzuleiten, um den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu verhindern.

Der Katalog der Geschäftsführerpflichten in der Krise ist ohnehin schon anspruchsvoll, aber mit Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung bleiben dem Geschäftsführer nur noch wenige Optionen, um eine eigene Haftung gegenüber Gesellschaftern oder Dritten zu vermeiden. Beim geschäftsführenden Gesellschafter kommt noch erschwerend hinzu, daß er sein Lebenswerk oft mit allen Mitteln und Wegen zu retten versucht.

2. Überschuldung der GmbH

Die heute vorherrschende Meinung bejaht eine Überschuldung der GmbH, wenn das Vermögen nicht mehr ausreicht, um die Verbindlichkeiten zu decken (= rechnerische Überschuldung) und eine positive Fortführungsprognose zu verneinen ist. Solange eine positive Fortführungsprognose besteht, scheidet eine Insolvenz wegen Überschuldung aus. Eine solche positive Fortführungsprogose muß jedoch anhand objektiver Anhaltspunkte zweifelsfrei ermittelt (und ggf. auch nachgewiesen) werden. Ohne ein umfassendes Sanierungskonzept mit Finanzplan und schlüssiem Unternehmenskonzept wird das kaum möglich sein.

Achtung: Seit 01.01.2014 gilt wieder ein strengerer Überschuldungsbegriff.

3. Haftung der Geschäftsführer bei Pflichtenverletzung

Wird die Insolvenzantragspflicht im Falle der Überschuldung durch den Geschäftsführer verletzt, stehen schnell Schadensersatzansprüche der GmbH und der Gläubiger im Raum, die durch die Insolvenzverwalter auch geltend gemacht werden. Je länger der Zeitraum zwischen Eintritt der Überschuldung und Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist, desto größer wird die Gefahr der Haftung und der potentielle Schaden bei GmbH und Gläubigern.

Seit der GmbH-Reform 2008 ergibt sich die Verpflichtung der Geschäftsführer zum sofortigen Insolvenzantrag bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung aus § 15a InsO. Das Fatale daran ist, daß die Insolvenzantragspflicht bei Überschuldung unabhängig von der Kenntnis des Geschäftsführers entsteht und dieser Zeitpunkt anhand der Buchhaltung und Jahresabschlüsse der GmbH relativ genau bestimmt werden kann.

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist der Geschäftsführer einer GmbH verpflichtet, für eine Organisation zu sorgen, die ihm die zur Wahrnehmung seiner Pflichten erforderliche Übersicht über die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Gesellschaft jederzeit ermöglicht; verfügt er selbst nicht über ausreichende persönliche Kenntnisse, muss er sich gegebenenfalls fachkundig beraten lassen. Weist die Handelsbilanz der Gesellschaft eine Überschuldung aus, hat er nach diesen Grundsätzen spätestens dann eine Überschuldungsprüfung vorzunehmen oder gesondert in Auftrag zu geben. Diese Aufgabe kann der Geschäftsführer nicht ohne weiteres auf den Steuerberater abwälzen, den im Rahmen eines allgemeinen Mandats (nur) die Pflicht zur steuerlichen Beratung der Gesellschaft trifft.

4. Haftungsrisiken für Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte

Wird die Insolvenzantragspflicht des Geschäftsführers trotz objektiver Überschuldung verletzt, sehen die späteren Insolvenzverwalter vereinzelt auch den Steuerberater in der Haftung, wenn er es trotz umfassendem Beratungsauftrag unterlassen hat, den Mandanten (sprich die GmbH) über die bilanzielle Überschuldung und die daraus resultierenden Pflichten hinzuweisen.

Der Umfang der Hinweise und Belehrungen richtet sich nach dem Wissensstand des Mandanten, der vor den Augen des Richters grundsätzlich als “unwissend” zu behandeln ist. Dies kommt einer Beweislastumkehr gleich, da der Steuerberater nunmehr darlegen und beweisen muß, dass der Mandant (sprich die GmbH) Kenntnis hatte von

  • dem Fehlbetrag in der Bilanz (= bilanzielle Überschuldung),
  • von der potentiellen Überschuldung gem. § 15a InsO und
  • von der evtl. bestehenden Insolvenzantragspflicht.

Liegen keine schriftlichen Beweismittel hierüber vor, z.B. in Form eines Anschreibens an die GmbH, hilft ggf. nur noch die Vernehmung des Geschäftsführers als Zeuge. Doch wer will sich als Steuerberater schon auf einen Geschäftsführer als Zeuge verlassen, der die GmbH in die Insolvenz geführt hat?

Update: Urteil des BGH vom 07.03.2013

Der BGH hat in seinen Urteilen vom 07.03.2013 (IX ZR 64/12) und vom 06.06.2013 (IX ZR 204/12) zu dieser Problematik wie folgt entschieden: Für den Steuerberater mit einem allgemeinen Beratungsmandat in Steuerangelegenheiten besteht grundsätzlich keine Pflicht, “ungefragt” auf eine Überschuldung und die daraus entstehende Insolvenzantragspflicht hinzuweisen.

Das steuerberatende Dauermandat von einer GmbH begründet bei üblichem Zuschnitt keine Pflicht, die Mandantin bei einer Unterdeckung in der Handelsbilanz auf die Pflicht ihres Geschäftsführers hinzuweisen, eine Überprüfung der Insolvenzreife in Auftrag zu geben oder selbst vorzunehmen.
Eine entsprechende drittschützende Pflicht trifft den steuerlichen Berater auch gegenüber dem Geschäftsführer der Gesellschaft nicht.

BGH, Urteil vom 07.03.2013 (IX ZR 64/12)

Haftungsrisiken für Steuerberater aus positiver Vertragsverletzung

Erteilt der Steuerberater oder Rechtsanwalt jedoch auf entsprechende Anfrage eine (fehlerhafte) Auskunft, dass keine Überschuldung vorliegt, handelt es sich um eine vertragliche Leistung, für deren Richtigkeit der Steuerberater oder Rechtsanwalt haftet.

Eine – möglicherweise auch drittschützende – Haftung des Steuerberaters für einen Schaden aus einer Insolvenzverschleppung kann nur eintreten, wenn dieser ausdrücklich mit der Prüfung der Insolvenzreife eines Unternehmens beauftragt ist.

BGH, Urteil vom 14.06.2012, IX ZR 145/11, BGHZ 193, 297 Rn. 9 ff.

Einbeziehung Dritter in den Schutzbereich des Vertrages

Grundsätzlich kommt ein Vertrag zwischen Steuerberater und GmbH zustande. Allerdings kann eine Einbeziehung der Geschäftsführer in den Schutzbereich eines solchen Vertrages nicht generell verneint werden.

Insbesondere die Geschäftsführer der GmbH kommen bestimmungsgemäß mit einem Vertrag zwischen Steuerberater und GmbH in Berührung und für den Steuerberater, bei dem es sich grundsätzlich um eine Person mit besonderer, vom Staat anerkannter Sachkunde handelt, ist ohne weiteres erkennbar, dass die Prüfung der Überschuldung für den Geschäftsführer rechtliche Wirkungen hat. Diese möglichen Ansprüche kann sich der (spätere) Insolvenzverwalter vom Geschäftsführer abtreten lassen.

Zur Einbeziehung des Geschäftsführers in den ausdrücklichen Prüfauftrag des Steuerberaters vgl. BGH, Urteil vom 14.06.2012, IX ZR 145/11, BGHZ 193, 297 Rn. 9 ff).

Die drittschützenden Pflichten aus einem solchen Vertrag reichen jedoch nicht weiter als die dem Steuerberater gegenüber seiner eigentlichen Vertragspartei obliegenden Warn- und Hinweispflichten. Der Dritte, der selbst keine vertraglichen Beziehungen zu dem Steuerberater hat, kann nicht erwarten, dass dieser ihn über Gefahren und mögliche Risiken aufklärt, auf die er im Rahmen seines allgemeinen Mandats nicht hinzuweisen hat (BGH, Urteil vom 07.03.2013, IX ZR 64/12)

Update: Urteil des BGH vom 26.01.2017 zur Steuerberaterhaftung bei fehlerhafter Bilanz

Schon mit Urteil vom 18.02.1098 hat der BGH wie folgt entschieden: Eine Haftung des Steuerberaters aus positiver Vertragsverletzung kann sich bei verspäteter Stellung eines Insolvenzantrages dann ergeben, wenn die erstellte Handelsbilanz fehlerhaft ist und infolgedessen die bestehende rechnerische Überschuldung der Gesellschaft nicht erkennen lässt.

Der Beratungsfehler des Steuerberaters liegt in diesem Fall nicht in einer unterlassenen Warnung von einer möglicherweise bestehenden Insolvenzreife, sondern in der Schlechterfüllung des Auftrages, eine ordnungsgemäße Bilanz anzufertigen.

BGH, Urteil vom 18.02.1987, IVa ZR 232/85

Das Urteil des BGH vom 26.01.2017 (IX ZR 285/14) hat dann für Steuerberater zu einer deutlichen Verschärfung der Haftungsrisiken im Umgang mit einer in der Krise befindlichen bzw. insolvenzbedrohten GmbH geführt. Nach dieser Rechtsprechung des BGH trifft den Steuerberater einer GmbH in der Krise die Pflicht, Umstände für eine Insolvenzantragspflicht des Geschäftsführers auch im üblichen Dauermandat aktiv zu prüfen.

Update: Inkrafttreten des StaRUG zum 01.01.2021

Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) zum 01.01.2021 sind die Geschäftsführer aller Kapitalgesellschaften und der GmbH & Co. KG verpflichtet, ein Krisenfrüherkennungssystem einzurichten.

Neben dem Geschäftsführer der GmbH werden auch die Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer und Rechtsanwälte in die Pflicht genommen (§ 102 StaRUG). Im wesentlichen geht es um Hinweis- und Warnpflichten.

Muster und Vorlagen für Geschäftsführer:

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