Häufiger als gedacht kommt es tatsächlich vor, dass ein Mitarbeiter der Clearingstellen beim Finanzamt einem neu gegründeten Unternehmen keine Steuernummer erteilen will. Anfangs dachte ich, es wäre ein schlechter Scherz eines Geschäftsführers, dass das Finanzamt München für Körperschaften keine Steuernummer für die neu gegründete GmbH erteilen will. Vorneweg, es war kein Scherz, sondern ein langwieriges Verfahren, das uns über die sog. Clearingstelle beim Finanzamt zur Rechtsbehelfsstelle und von dort nach Bestätigung der Ablehnung zum Finanzgericht München führte. Inzwischen hat das Finanzgericht München unserer Klage auf Erteilung einer Steuernummer stattgegeben.
Fragebogen zur steuerlichen Erfassung
Nach der Gründung einer GmbH versendet das örtlich zuständige Finanzamt regelmäßig einen sog. Fragebogen zur steuerlichen Erfassung einer Körperschaft, wo u.a. folgende Informationen abgefragt werden:
- Bezeichnung der Kapitalgesellschaft
- Zweigniederlassung oder Betriebsstätten in anderen Gemeinden
- Art der Tätigkeit
- Gesetzlicher Vertreter
- Empfangsbevollmächtigter
- Steuerlicher Berater
- Bankverbindung
- Gesellschaftsvertrag und Eintragung im Handelsregister
- Beginn der Tätigkeit
- Wirtschaftsjahr
- Höhe des Stammkapitals
- Name und Anschrift der Anteilseigner
- Bar- oder Sachgründung
- Einzelheiten zur Bargründung
- Einzelheiten zur Sachgründung
- Gründung einer GmbH & Co. KG
- Bestehen einer atypisch stillen Beteiligung
- Organträgerschaft
- Angaben zur Festsetzung der Vorauszahlungen
- Angaben zur Lohnabrechnung
- Angaben zur Umsatzsteuer
- Beantragung einer Freistellungsbescheinigung (“Bauabzugssteuer”)
Im vorliegenden Fall war die Beantwortung dieser Fragen jedoch nicht ausreichend. Vielmehr musste der Geschäftsführer der GmbH in Beantwortung eines formlosen Anschreibens zusätzlich die folgenden Fragen beantworten:
- Führt die Gesellschaft die Geschäfte eines anderen Unternehmens weiter?
- Ist die Gesellschaft als Subunternehmer tätig und gibt sie Verträge an Subunternehmer weiter (bitte Verträge vorlegen)?
- Vorlage des Mietvertrages der Firmenräume sowie Nachweis der Zahlung.
- Angabe des voraussichtlichen Jahresumsatzes und des zu erwartenden Gewinns/Verlusts.
- Glaubhaftmachung des Beginns der operativen Tätigkeit (Vorverträge, Angebote, Erwerb von Anlagevermögen, Einkauf von Waren etc.).
- Durch wen werden die Aufträge ausgeführt (Vorlage von Arbeitsverträgen)?
Weitere Fragen des Finanzamts
Zur Verdeutlichung des Problems und in Abweichung zum tatsächlichen Fall gebe ich hiermit folgende Antworten auf die gestellten Fragen des Finanzamts:
- Nein.
- Weitergabe von Aufträgen ist vorgesehen.
- Mietvertrag nicht vorhanden.
- Noch unbekannt.
- Operative Tätigkeit hat noch nicht begonnen, da diese ohne Erteilung der Steuernummer nicht möglich ist.
- vgl. Pos. 2.
Erteilung der Steuernummer wird abgelehnt
Das Finanzamt hat daraufhin die Vergabe der Steuernummer mit folgender Begründung abgelehnt:
“Voraussetzung für die Vergabe der Steuernummer ist Unternehmereigenschaft der GmbH gem. § 2 UStG. Die Unternehmereigenschaft beginnt erst mit dem ersten nach außen erkennbaren, auf eine Unternehmertätigkeit gerichteten Tätigwerden, wenn die spätere Ausführung entgeltlicher Leistungen beabsichtigt ist (= Verwendungsabsicht) und die Ernsthaftigkeit dieser Absicht durch objektive Merkmale nachgewiesen oder glaubuhaft gemacht wird.”
Unter diese Allgemeinformel werden nun die verschiedensten Aspekte verpackt, die aus Sicht der Finanzämter zur Verweigerung der Steuernummer rechtfertigen. Dass dem jedoch auch im Jahr 2009 noch so ist, muss als äußerst kritisch eingestuft werden.
Anspruch auf Erteilung einer Steuernummer
Per Beschluß vom 26.02.2008 hat der Bundesfinanzhof (BFH) auf Antrag eines Ungarn entschieden, dass auch mögliche Scheinfirmen mit Geschäftsführung in Ungarn einen Anspruch auf eine Steuernummer für umsatzsteuerliche Zwecke haben.
Entscheidung des BFH
Im einzelnen führte der BFH zur Begründung seiner Entscheidung aus:
“Die Steuernummer dient danach nicht nur der verwaltungstechnischen Erfassung von Steuerpflichtigen und der Durchführung des Besteuerungsverfahrens. Sie ist vielmehr regelmäßig Voraussetzung für ein selbständiges gewerbliches oder berufliches Tätigwerden, soweit nicht ausnahmsweise ausschließlich Umsätze ausgeführt werden sollen, für die die Ausstellung einer Rechnung nicht vorgeschrieben ist. Der Verpflichtung des Unternehmer zur Ausstellung von Rechnungen unter Angabe der Steuernummer steht demgemäß ein öffentlich-rechtlicher Anspruch des Unternehmer auf Erteilung einer Steuernummer gegenüber. Die Steuernummer ist zudem auch Voraussetzung für die Erteilung einer Umsatzsteuer- Identifikationsnummer nach § 27a UStG. In dem Antrag auf Erteilung einer solchen Nummer ist nämlich die Steuernummer, unter der der Antragsteller umsatzsteuerlich geführt wird, anzugeben (§ 27a Abs. 1 Satz 6 UStG).”
Lehnt das Finanzamt die Erteilung einer Steuernummer an eine GmbH ab, die zur Ausstellung von Rechnungen verpflichtende Umsätze ausführen will, hat dies insoweit die Wirkung eines Tätigkeitsverbot und greift somit unmittelbar in den Schutzbereich des Grundrechts auf Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetz (GG) ein. Dieses Grundrecht steht nicht nur “allen Deutschen” als natürlichen Personen zu, sondern es ist nach Art. 19 Abs. 3 GG auch auf inländische juristische Personen des Privatrecht anwendbar, soweit sie eine Erwerbszwecken dienende Tätigkeit ausüben, die ihrem Wesen und ihrer Art nach in gleicher Weise einer juristischen wie einer natürlichen Person offen steht (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Juni 2002, Az. 1 BvR 558, 1428/91, BVerfGE 105, 252, 265). Das Grundrecht schützt sowohl das Recht, einen Beruf frei zu wählen, als auch die freie Berufsausübung. Unter Beruf ist dabei jede auf Erwerb gerichtete Tätigkeit zu verstehen, die auf Dauer angelegt ist und der Schaffung und Aufrechterhaltung einer Lebensgrundlage dient (BVerfG, Urteil vom 28. März 2006, Az. 1 BvR 1054/01, BVerfGE 115, 276, 300).
Unternehmer im umsatzsteuerrechtlichen Sinn ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt (§ 2 Abs. 1 Sätze 1 und 3 UStG). Zur Begründung der Unternehmereigenschaft ist die Aufnahme der tatsächlichen Umsatztätigkeit nicht erforderlich. Die Unternehmereigenschaft beginnt vielmehr bereits mit den ersten auf die Ausführung entgeltlicher Leistungen gerichteten, nach außen ersichtlichen Handlungen; dazu gehören auch Vorbereitungshandlungen wie etwa Investitionen in Räume oder Werbemaßnahmen. Entscheidend ist dabei die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht, eine unternehmerische Tätigkeit auszuüben (BFH, Urteil vom 22. Februar 2001, Az. V R 77/96, BFHE 194, 498, BStBl II 2003, 426; Urteil vom 17. Mai 2001, Az. V R 38/00, BFHE 195, 437, BStBl II 2003, 434; BFH, Beschluss vom 23. Mai 2002, Az. V B 104/01, BFH/NV 2002, 1351; Beschluß vom 20. Dezember 2007 IX B 194/07).”
Geht es deutlicher? Ungeachtet dieser Entscheidung des BFH gibt es nach wie vor unzählige Fälle, in denen die sog. Clearingstellen in der Finanzverwaltung die Erteilung der Steuernummer mangels Nachweis der Aufnahme der Geschäftsbeziehungen verweigern. Das ist rechtswidrig.
Nun stellen sich jedoch viele weitere Fragen, allen voran:
- Welchen Wert hat eine Steuernummer für ein neu gegründetes Unternehmen?
- Wer ersetzt dem Unternehmen den eingetretenen Schaden, der dadurch entstanden ist, dass die GmbH ohne Steuernummer seriöserweise nicht am Markt auftreten kann?
- Wie kann dieser Schaden beziffert werden, da es sich ja um ein neu gegründetes Unternehmen handelt, das keine Erfahrungswerte vorweisen kann?
Muster und Vorlagen für Geschäftsführer:
Das mit der Nichtvergabe einer Steuernummer kommt mir sehr bekannt vor. Es wurde bei einer stillen Tätigkeit (Vermögensverwaltung – aus den Unterlagen ersichtlich) wohl morgens um 07:OO Uhr in der Nachbarschaft nachgefragt ob jemand die Firma kenne – natürlich nicht.Die Firma kam nie ins laufen und hat nur Kosten verursacht.
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Aktuell kenne ich es noch anders – Steuernummer erteilt, aber die Vorsteuer der Baufirma, die nur für andere Baufirmen arbeitet wird nicht erstattet (Bescheinigung nach §13 ist vorhanden). Seit nunmehr 8 Monaten. Es sei keine unternehmerische Tätigkeit erkennbar, da weder gezahlte Lohnsteuer für Beschäftigte, noch schriftliche Aufträge und Umsatzusteuermeldungen diese unternehmerische Tätigkeit nachweisen. Somit nur Null-Bescheide seitens des Finanzamtes. Mal schaun, der Einspruch läuft noch…
Zitat: “Per Beschluß vom 26.02.2009 hat der Bundesfinanzhof (BFH) …”
Der Beschluß ist vom 26.02.2008, nicht 2009. Der 26.02.2009 wäre Morgen und damit kann der Beschluß noch nicht veröffentlicht sein …
Vielen Dank für den Hinweis. Den Fehler in der Jahreszahl habe ich korrigiert. Es ist natürlich der 26.02.2008.
Hallo zusammen,
zwar ist der Artikel schon eine weile her aber noch immer aktuell leider :(. Ich gehe davon aus dass dieses Urteil auf andere Formen von Unternehmen übertragbar ist oder zählt das nur für GmbHs?
Ein Freund hat gerade ein Gewerbe angemeldet (Umzug, Transport, Entrümpelung). Er hat entsprechende Vorbereitungen getroffen (Firmenlogo, Visitenkarten, Homepage, Programme eingerichtet usw.) und besitzt umfangreiche Erfahrungen auf diesem Gebiet. Er traf diese Vorbereitungen mit der Absicht durch diese Unternehmungen zukünftig Gewinn zu erziehlen (was ja scheinbar nicht mal erforderlich ist).
Die Steuernummer wird verweigert. Folgendes verstehe ich nicht: “Sie haben nach eigenen Angaben im Zusatzfragebogen keine Aufträge abgeschlossen und sind nicht für mehrere Auftraggeber tätig. Eine Teilnahme am wirtschaftlichen Verkehr (durch Werbung oder Inserate) wurden nicht nachgewiesen oder glaubhaft gemacht”.
Warum soll man Werbung schalten wenn man noch kein Unternehmen hat und keine Rechnungen ausstellen darf? Was wenn dann ein potentieller Kunde anruft? Wie soll man abgeschlossene Aufträge und mehrere Auftraggeber angeben wenn man noch garnicht tätig werden dürfte und die Auftraggeber noch nicht kennt?
Es wird weiter bemängelt dass er keine Betriebsmittel wie Fahrzeuge (werden anfangs gemietet) oder ein Büro (anfangs zu Hause) hat. Warum sollte er etwas anmieten wenn er noch nicht tätig werden darf?
“Ihre Arbeitskraft ist Ihr einziges wesentliches Betriebskapital, so dass von einer Scheinselbsständigkeit auszugehen ist.”
Sollte dass Finanzamt nicht eher bereits begangene Scheinselbsständigkeit nachweisen müssen um die Unternehmereigenschaft zu entziehen und nicht die Steuernummer verweigern weil sie “davon ausgehen”?
Auch verwirrend finde ich folgenden Satz:
“Legen sie dieses Schreiben ggf. bitte auch Ihrem Auftraggeber vor!”
Welchen Auftraggeber??? Das klingt fast wie eine schwere Anschuldigung.
Er hatte noch angegeben dass er neben eigenen Aufträgen anfangs auch Aufträge eines Partnerunternehmen ausführen möchte (wenn diese zb. mehr aufträge haben als leute und er noch zu wenig Aufträge. Vielleicht ist das Finanzamt damit unglücklich? Aber die Ablehnung aufgrund einer Unterstellung bzw. weil sie “davon ausgehen” finde ich doch merkwürdig.
Was sagt ihr dazu?
Schöne Grüße aus Berlin 🙂