Das Thema der Haftung der Geschäftsführer für Zahlungen nach Insolvenzreife war auch schon vor der weltweiten Coronapandemie ein Dauerthema. Allerdings wird sich die Zahl der Betroffenen in 2021 und in den Folgejahren rasant erhöhen. Seit der Coronapandemie und den damit verbundenen staatlichen Maßnahmen befinden sich viele Geschäftsführer und selbständige Unternehmer seit Monaten in einer nicht enden wollenden Krise. Etliche haben schon aufgegeben oder stehen kurz davor. Geschäftsführer einer GmbH oder UG haftungsbeschränkt sind gut beraten, die Voraussetzungen zur Aussetzung der Insolvenzantragspflicht in Deutschland fortwährend genau zu prüfen. Anderenfalls gehen sie bei Zahlungen nach Insolvenzreife enorme Risiken ein, wenn sie den Kampf ums Überleben am Ende doch verlieren und einen Insolvenzantrag stellen müssen.

Insolvenzantragspflicht in Deutschland

In Deutschland besteht für Geschäftsführer eine Insolvenzantragspflicht, sobald die GmbH oder UG haftungsbeschränkt den Tatbestand der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung erfüllen und die Geschäftsführer diesen Zustand nicht innerhalb von 3 Wochen beseitigen können. Die vorübergehende Aussetzung der Insolvenzantragspflicht infolge der Coronapandemie in 2020 und in 2021 ist an enge Voraussetzungen gebunden.

Unterbleibt der Insolvenzantrag oder stellen die Geschäftsführer den Antrag zu spät, setzen sie sich dem Risiko einer persönlichen Haftung aus. Fatal ist der Irrglaube so mancher Geschäftsführer, dass ihnen in diesem Fall auch die Haftungsbeschränkung der GmbH oder UG haftungsbeschränkt zugute kommt.

Zahlungen nach Insolvenzreife wegen Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung

Ist der Insolvenzverwalter irgendwann mal aktiv, geht es häufig genau um die persönliche Haftung der Geschäftsführer für Zahlungen nach Insolvenzreife wegen Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung. Die relevante Regelung in § 15b InsO lautet aktuell wie folgt:

Die nach § 15a Abs. 1 S. 1 antragspflichtigen Mitglieder des Vertretungsorgans und Abwickler einer juristischen Person dürfen nach dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung der juristischen Person keine Zahlungen mehr für diese vornehmen. Dies gilt nicht für Zahlungen, die mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar sind.

Der Insolvenzverwalter hält dem Geschäftsführer vor, dass er alle Zahlungen der GmbH oder UG haftungsbeschränkt ab dem ….. von ihm zurückhaben möchte, da sie mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters nicht vereinbar sind.

Zahlungen nach Insolvenzreife nicht vereinbar mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters

Zur Begründung verweist der Insolvenzverwalter dann auf § 15b Abs. 4 S. 1 InsO und vielleicht ergänzend auf das Urteil des BGH vom 04. Juli 2017:

Die Ersatzpflicht des Organs für Zahlungen nach Insolvenzreife entfällt, soweit die durch die Zahlung verursachte Schmälerung der Masse in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Zahlung durch eine Gegenleistung ausgeglichen wird. Die Regeln des Bargeschäfts nach § 142 InsO a.F. sind insoweit nicht entsprechend anwendbar. Die in die Masse gelangende Gegenleistung muss für eine Verwertung durch die Gläubiger geeignet sein. Das sind Arbeits-oder Dienstleistungen in der Regel nicht. Wenn die Gesellschaft insolvenzreif und eine Liquidation zugrunde zu legen ist, ist die in die Masse gelangende Gegenleistung grundsätzlich nach Liquidationswerten zu bemessen.

BGH, Urteil vom 4. Juli 2017, II ZR 319/15

Urteil des BGH vom 27.10.2020 zu Zahlungen nach Insolvenzreife

Inzwischen hat der BGH mit Urteil vom 27.10.2020 auch ein weiteren Streit unter Juristen beendet und wie folgt ausgeführt:

Der Geschäftsführer muss nach Eintritt der Insolvenzreife nicht nur einen Insolvenzantrag stellen (§ 15a InsO), sondern im Interesse der Gläubiger die noch verbliebene Masse erhalten (BGH, Urteil vom 4. Juli 2017, II ZR 319/15). Zur Masse gehören auch Vorleistungen, die in das Vermögen der Gesellschaft gelangen. Ebenso wie ein als Vorleistung dem Konto der Gesellschaft gutgeschriebener Betrag in deren Vermögen zu verbleiben hat, um nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur ranggerechten und gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger zur Verfügung zu stehen (vgl. BGH, Urteil vom 31. März 2003, II ZR 150/02; Urteil vom 5. Mai 2008, II ZR 38/07), hat auch eine nicht in einer Geldzahlung bestehende Vorleistung im Vermögen der Gesellschaft zu verbleiben. Die Bezahlung einer solchen Vorleistung ist kein Ausgleich für eine Masseschmälerung, sondern schmälert die Masse, was gerade verhindert werden soll.

BGH, Urteil vom 27.10.2020, II ZR355/18

Veranlassen Geschäftsführer nach Eintritt der Insolvenzreife Zahlungen zu Lasten der GmbH oder UG haftungsbeschränkt, können sie sich auch nicht (mehr) darauf berufen, eine fällige Rechnung zu einer Warenlieferung bezahlt zu haben.

Muster und Vorlagen für Geschäftsführer:

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