Im Falle der Liquidation einer GmbH ist die sozialversicherungsrechtliche Statusbeurteilung beim Liquidator nach denselben Grundsätzen vorzunehmen wie beim GmbH-Geschäftsführer. Ein Liquidator ohne Beteiligung am Stammkapital der GmbH steht daher in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zur GmbH. Es ist mehr oder weniger unbedeutend, ob der Liquidator schuldrechtlich weisungsfrei und faktisch wie ein selbständiger Unternehmer die Geschäfte der abzuwickelnden GmbH führen kann.

Statusbeurteilung beim Liquidator der GmbH

Nach dem Beschluß des LSG Schleswig-Holstein vom 27.12.2021 (L 10 BA 10034/21) sind bei der sozialversicherungsrechtlichen Statusbeurteilung beim Liquidator einer GmbH die gleichen Grundsätze anzuwenden wie beim GmbH-Geschäftsführer.

Gerade die Weisungsbefugnis der Gesellschafterversammlung besteht im einen wie im anderen Fall. Der BGH sieht in ständiger Rechtsprechung die Gesellschafter als zentrales Entscheidungsorgan innerhalb der gesetzlich vorgegebenen hierarchischen Struktur der GmbH an (vgl nur BGH, Urteil vom 8.01.2019, II ZR 364/18). Im Falle der Liquidation der GmbH besteht die zentrale Entscheidungskompetenz der Gesellschafter in vergleichbarer Weise auch gegenüber dem Liquidator der GmbH (§§ 37, 46 GmbHG).

Die Liquidatoren vertreten die Gesellschaft nach § 70 S. 1 GmbHG gerichtlich und außergerichtlich. Diese Vertretungsmacht ist wie beim Geschäftsführer grundsätzlich unbeschränkt und unbeschränkbar (§ 70 Abs. 4, § 37 Abs. 2 GmbHG). Schranken ergeben sich aber auch hier bei Missbrauch der Vertretungsmacht nach den für die Geschäftsführer entwickelten Regeln. Nach § 70 S. 1 GmbHG haben die Liquidatoren das Vermögen der Gesellschaft in Geld umzusetzen. Die Art und Weise der Verwertung steht im pflichtgemäßen Ermessen der Liquidatoren. Auch in der aufgelösten Gesellschaft bleibt die hierarchische Organisation der GmbH im Wesentlichen bestehen. Die Gesellschafter können für den Liquidator bindende Beschlüsse über die Art und Weise der Liquidation fassen, insbesondere über die Art der Umsetzung des Vermögens der Gesellschaft in Geld. Die Gesellschafterversammlung kann Vorgaben zur Verwertung in einem Liquidationsplan beschließen oder eine Anweisung der Verwertung für den Einzelfall erteilen.

BGH, Urteil vom 8.01.2019, II ZR 364/18

Dies verdeutlicht die grundsätzliche Gleichartigkeit der gesellschaftsrechtlichen Stellung eines Geschäftsführers einerseits und eines Liquidators andererseits. Sozialversicherungsrechtlich ist es daher erforderlich, die Statusbeurteilung beim Liquidator der GmbH nach den gleichen Grundsätzen vorzunehmen wie bei einem Geschäftsführer.

Statusbeurteilung beim GmbH-Geschäftsführer

In einer Reihe von Urteilen hat das Bundessozialgericht (BSG) beginnend in 2012 die bis dahin geltende, recht ungenaue Rechtsprechung zur Abgrenzung zwischen selbständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung beim GmbH-Geschäftsführer grundlegend präzisiert. Betroffen waren vor allem Geschäftsführer einer Familiengesellschaft ohne Beteiligung am Stammkapital und geschäftsführende Gesellschafter einer GmbH ohne umfassende Sperrminorität. Seit diesen Urteilen des BSG sind folgende Grundsätze bei der Statusbeurteilung der Geschäfsführer zu berücksichtigen:

Abgrenzung Beschäftigung-selbständige Tätigkeit beim GmbH-Geschäftsführer

Beschäftigung ist die nicht-selbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs. 1 SGB IV). Wesentliche Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

Ein Beschäftigungsverhältnis ist hiernach zu bejahen, wenn der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsleistung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Vornehmlich bei Ausführung von Diensten höherer Art kann das Weisungsrecht auch eingeschränkt und zur „dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert sein (BSG, Urteil vom 18.12.2001, B 12 KR 10/01 R). In solchen Fällen liegt eine abhängige Beschäftigung vor, wenn die höheren Dienste fremdbestimmt bleiben und in einer von der anderen Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebs aufgehen (BSG, Urteil vom 19.06.2001, B 12 KR 44/00 R).

Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch folgende Merkmale gekennzeichnet (BSG, Urteil vom 29.08.2012 (B 12 KR 25/10 R):

  • Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte;
  • Freie Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft;
  • Eine im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit;
  • Unternehmerrisiko.

Rechtsmacht des Geschäftsführers ist entscheidend

Ob eine Beschäftigung des Geschäftsführers in der GmbH vorliegt, ergibt sich im wesentlichen aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt.

Im Falle eines Widerspruchs zwischen ursprünglich getroffenen Vereinbarungen und den tatsächlichen Verhältnissen geht die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung der nur formellen Vereinbarung vor; dies ist allerdings auf die Fälle begrenzt, in denen eine formlose Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist.

Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung die dem Geschäftsführer zustehende Rechtsmacht aufgrund der zugrundeliegenden Vereinbarungen (BSG, Urteil vom 8.12.1994, 11 RAr 49/94). Entscheidend ist die Frage, ob der Geschäftsführer der GmbH unter Berücksichtigung der Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag in der Lage ist, ihm nicht genehme Weisungen zu verhindern oder Beschlüsse zu beeinflussen, die sein Anstellungsverhältnis betreffen.

Fremdgeschäftsführer ausnahmslos sozialversicherungspflichtig

Ist der Geschäftsführer am Stammkapital der GmbH nicht beteiligt (sog. Fremdgeschäftsführer), ist eine solche Rechtsmacht von vornherein ausgeschlossen, so dass eine abhängige Beschäftigung ausnahmslos zu bejahen ist (BSG, Urteil vom 10.12.2019, B 12 KR 9/18 R; BSG, Urteil vom 19.09.2019, B 12 R 25/18 R).

Er besaß keine im Gesellschaftsrecht wurzelnde Rechtsmacht, die ihn in die Lage versetzte, eine Einflussnahme auf seine Tätigkeit, insbesondere durch ihm unangenehme Weisungen, jederzeit zu verhindern. Vielmehr unterlag er nach § 37 Abs. 1 i.V.m. § 38 Abs. 1 sowie § 46 Nr. 5 und 6 GmbHG dem Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung. Danach ist der Geschäftsführer verpflichtet, Weisungen der Gesellschafterversammlung zu jeder Geschäftsführungsangelegenheit zu befolgen. Eine Einflussmöglichkeit auf solche Weisungen war dem Kläger verwehrt, da er am Stammkapital der GmbH nicht beteiligt und damit sog. Fremdgeschäftsführer der Beigeladenen war. Geschäftsführer ohne eine Kapitalbeteiligung sind ausnahmslos abhängig beschäftigt.

BSG Urteil vom 19.09.2019, B 12 R 25/18 R

Statusbeurteilung beim geschäftsführenden Gesellschafter

Ist der Geschäftsführer gleichzeitig Gesellschafter der GmbH, ist er nicht per se kraft seiner Kapitalbeteiligung selbständig tätig. Vielmehr kommt es für die Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit auf den Umfang der Kapitalbeteiligung und das Ausmaß der sich daraus ergebenden Einflußnahme auf die Gesellschaft an.

Hält der geschäftsführende Gesellschafter einen Anteil von mehr als 50 %, vermittelt ihm diese Beteiligung eine solche Rechtsmacht, dass eine beherrschende Stellung in der Gesellschafterversammlung vorliegt. In diesem Fall ist ausnahmslos von einer selbständigen Tätigkeit ohne entsprechende gesetzliche Sozialversicherungspflicht auszugehen.

Sperrminorität des geschäftsführenden Gesellschafters

Ein geschäftsfühender Gesellschafter der GmbH, der nicht über eine solche Kapitalbeteiligung verfügt und damit als beherrschender Gesellschafter ausscheidet, ist grundsätzlich abhängig beschäftigt. Er ist ausnahmsweise nur dann als selbständiger Gesellschafter-Geschäftsführer anzusehen, wenn er exakt 50 % der Anteile am Stammkapital hält.

Im Falle einer geringeren Kapitalbeteiligung kommt es darauf an, ob ihm gesellschaftsvertraglich eine umfassende, die gesamte Unternehmenstätigkeit erfassende Sperrminorität eingeräumt ist. Eine selbständige Tätigkeit ist nur dann zu bejahen, wenn die gesellschaftsrechtlich eingeräumte Rechtsmacht so beschaffen ist, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer auf den Inhalt der Gesellschafterbeschlüsse Einfluss nehmen kann und zumindest ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung verhindern kann.

Demgegenüber ist eine „unechte“, auf bestimmte Gegenstände begrenzte Sperrminorität nicht geeignet, die erforderliche Rechtsmacht zu vermitteln (BSG, Urteil vom 12.05.2020, B 12 R 11/19 R; BSG, Urteil vom 19.09.2019, B 12 R 25/18 R; BSG, Urteil vom 14.03.2018, B 12 KR 13/17 R).

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